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Wahlsystem in Italien

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Mai 2001 - 11:35 Uhr:   

Mal abgesehen davon, daß es bei der Durchführung organisatorische Probleme gegeben hat: Das Wahlrecht in Italien befremdet mich ziemlich.

Wenn ich die Berichte richtig verstanden habe, werden zum selben Zeitpunkt von fast denselben Leuten (Unterschied nur im Mindestalter) zwei Kammern gewählt. Eine Regierung braucht die Mehrheit in beiden Kammern - ansonsten gibt es unschöne Hängesituationen.

Das Wahlrecht zu beiden Kammern ist ähnlich - 3/4 der Mandate werden im Mehrheitswahlrecht vergeben, der Rest im Abgeordnetenhaus nach Verhälniswahlrecht, im Senat rücken die besten Unterlegenen der Wahlkreise nach!

Ansonsten hat der Senat keine Eigenschaften (z. B. Ländervertretung), die ihn von einem "normalen" nationalen Parlament unterscheiden würden, d.h. letztlich hat Italien zwei parallele Parlamente.

Ist das einfach nur blödsinnig, oder habe ich was falsch verstanden, oder gibt es Gründe, die das erklären?
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Samstag, 19. Mai 2001 - 00:11 Uhr:   

Ursprünglich (1947) war das 2-Kammersystem ersonnen worden worden, um die Qualität der Gesetzgebung zu verbessern. In der Praxis führte das meist zu gegenseitiger Blockade durch Heckenschützen (vor allem in der DC)in der (früher geheimen) Schlußabstimmung, obwohl die Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern fast immer praktisch identisch waren (Ausnahme: 1994 hatte das Rechtsbündnis die absolute Mehrheit im Senat knapp verfehlt). Der Grund, warum dieses System trotz offensichtlichen Versagens beibehalten wurde ist ziemlich naheliegend: Kaum Politiker will seinen eigenen Posten abschaffen.
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Stefan Müller
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juni 2001 - 17:12 Uhr:   

Diese Aussagen bezueglich Wahlrechtsaenderung in Italien ist ja auch noch im weiteren Zusammenhang zu sehen: Urspruenglich war ja auch geplant, ein reines Mehrheitswahlrecht einzufuehren. Dieser Versuch ist aber bisher noch nicht weiterverfolgt worden, da die jeweiligen kleinen Koalitionspartner um ihre Pfruende fuerchten. Und da es in jeder Koalition immer kleine Koalitionspartner gibt, wird sich dadran wohl auch nix mehr aendern.

Dazu noch eine kleine Ueberlegung am Rande: Wenn es ein reines Verhaeltniswahlsystem mit einer 5%-Huerde und ohne die Moeglichkeit von Listenverbindungen bei der letzten Wahl vor einigen Wochen gegeben haette, waehren nur 5 Parteien (FI, AN, DS, Margherita und RC) ins Parlament gekommen und nicht knapp 20, und es gaeb eine eindeutige Mehrheit von FI und AN. Warum also einfach, wenns auch kompliziert geht.

P.S.: Natuerlich ist Margherita noch keine Partei, aber wenn sie sich schon vor der Wahl zusammengeschlossen haetten...
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2001 - 12:36 Uhr:   

Auch wenn das jetzige Wahlsystem alles andere als optimal ist, glaube ich nicht, daß eine 5%-Hürde besser wäre. Das Beispiel Margherita zeigt ja, was dann passieren würde: Mehrere Parteien würden sich vor der Wahl zusammenschließen und hinterher wieder ihr eigenes Süppchen kochen. So sind dann wieder Dutzende Parteien im Parlament und letztlich ist nichts erreicht. Ich habe sowieso große Zweifel, ob man politische Stabilität nur über das Wahlrecht erreichen kann.

Für Italien das beste Wahlsystem wäre m.E. die absolute Mehrheitswahl. So wäre eine Polarisierung möglich ohne daß die großen Parteien gezwungen wären Bündnisse mit kleinen Parteien einzugehen und diesen Sitze zu überlassen. In Frankreich hat sich das System bewährt und die Parteienlandschaft in Frankreich ist mindestens ebenso fragmentiert wie in Italien.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 13. Juni 2001 - 12:49 Uhr:   

Das Mehrheitswahlrecht kann nie eine vernünftige Alternative sein, dazu ist es schlicht zu verzerrend und ungerecht.

Gerade die GB-Wahl hat das wieder gezeigt: Die Mehrheit der Wählerstimmen ist wieder schlicht unter den Tisch gefallen (entfiel auf nichtgewählte Kandidaten).

Und gerade bei der unübersichtlichen Situation in Italien würde das zu völlig grotesken Verhältnissen führen.

Genau wie beim Beispiel mit der 5%-Hürde würde es zu taktischen Bündnissen kommen, die letztlich den Wähler massiv in seinen Wahlmöglichkeiten einschränken.
Und angesichts des unübersichtlichen und instabilen Parteiengefüges wäre das Ergebnis am Ende wohl nah am Auswürfeln - eine halbwegs legitimierte Parlamentsmehrheit wäre eher eine Überraschung.

Der Knackpunkt ist tatsächlich:
> Ich habe sowieso große Zweifel, ob man
> politische Stabilität nur über das Wahlrecht
> erreichen kann.
Genau. Wenn die politische Landschaft unübersichtlich und veränderlich ist, kann das über das Wahlsystem nicht repariert werden.
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Albert
Veröffentlicht am Mittwoch, 13. Juni 2001 - 18:54 Uhr:   

Zitat
>Der Knackpunkt ist tatsächlich:
>> Ich habe sowieso große Zweifel, ob man
>> politische Stabilität nur über das Wahlrecht
>>erreichen kann.
>Genau. Wenn die politische Landschaft unübersichtlich und
>veränderlich ist, kann das über das Wahlsystem nicht
>repariert werden.
_________________________


Ein Modell real existierender politischer Stabilität zerbrach mit dem Fall der Mauer. Die Restauratoren machen aber Fortschritte.

Im Gegensatz dazu ist Demokratie eher die kalkulierte Flexibilität, denn alles erstarrte zerbricht irgendwann und richtet dabei genau die Schäden an, welche nur durch demokratische Spielregeln verhindert werden können.

Albert
siehe Gewaltenteilung
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. Juni 2001 - 15:58 Uhr:   

Kein Wahlrecht ist a priori gut oder schlecht, das hängt immer vom Kontext im jeweiligen Land ab. Die Behauptung jedenfalls, das Mehrheitswahlrecht sei grundätzlich abzulehnen, weil zu viele Stimmen unter den Tisch fielen oder es zu Zufallsergebnissen führe, ist wenig stichhaltig: Jedes Wahlsystem kann zu abstrusen Ergebnissen führen. Z.B. fielen 1995 in Georgien durch die 5%-Hürde nicht weniger als 61,5% der Stimmen unter den Tisch und in Rußland im gleichen Jahr 47,5%. Dagegen ist es bei einer absoluten Mehrheitswahl (Ausnahme: romanische Mehrheitswahl) mathematisch unmöglich, daß mehr als die Hälfte der Stimmen verlorengeht.

Darüber hinaus sind gerade Wahlsysteme mit Sperrklausel besonders anfällig für Zufallsergebnisse. So behielt die SPD 1992 in Schleswig-Holstein nur deshalb die absolute Mehrheit, weil die Grünen den Einzug in den Landtag um knapp 500 Stimmen verpaßte. 1999 hätten bei der Wahl in Hessen 3000 Stimmen weniger für die FDP zu einem ganz anderen Kräfteverhältnis im Landtag geführt.
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Hans Petermann
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. Juni 2001 - 16:06 Uhr:   

Thomas Frings schrieb: "Dagegen ist es bei einer absoluten Mehrheitswahl (Ausnahme: romanische Mehrheitswahl) mathematisch unmöglich, daß mehr als die Hälfte der Stimmen verlorengeht."

Ich würde eher sagen, daß es bei einer Mehrheitswahl mathematisch unmöglich ist, daß weniger als die Hälfte der Stimmen verlorengeht."
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 10. Juli 2001 - 15:30 Uhr:   

Ich befürchte, sowohl Thomas Frings als auch Hans Petermann widersprechen zu müssen.

Eine "absolute Mehrheitswahl" ist ja direkt gar nicht möglich, wenn man nicht die Zahl der Kandidaten (durch einen vorherigen Wahlgang) auf zwei reduziert. Die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten gehen aber leer aus, damit können insgesamt auch weit mehr als die Hälfte der Stimmen verloren gehen.

Ganz falsch dagegen ist:
> daß es bei einer Mehrheitswahl mathematisch
> unmöglich ist, daß weniger als die Hälfte der
> Stimmen verlorengeht.
wenn nämlich die Wähler mit entsprechend hoher Mehrheit hinter einem Kandidaten stehen, gehen auch nur wenige Stimmen verloren.
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Hans Petermann
Veröffentlicht am Dienstag, 10. Juli 2001 - 17:37 Uhr:   

Ralf Arnemann schrieb: "Wenn nämlich die Wähler mit entsprechend hoher Mehrheit hinter einem Kandidaten stehen, gehen auch nur wenige Stimmen verloren." Stimmen gehen ja nicht nur dann verloren, wenn der Kandidat, für den gestimmt wurde, nicht gewählt wurde. Stimmen gehen ja auch dann verloren, wenn der gewählte Kandidat erheblich mehr Stimmen bekommt, wie er benötigt hätte, um gewählt zu werden.

Beispiel: Wenn nach der SNTV in 7-Mann-Wahlkreisen gewählt würde und ein Kandidat bekäme 95% aller Stimmen, dann sind bereits hierdurch 82.5% aller Stimmen verloren, da der Kandidat auch dann gewählt worden wäre, wenn er nur 12.5% aller Stimmen bekommen hätte.

Bei jedem Wahlsystem ist -unabhängig davon wie die Wähler stimmen- automatisch mindestens eine Droop-Quota an Stimmen verloren.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Juli 2001 - 15:46 Uhr:   

Jetzt wirds aber arg philosophisch.
Eine Stimme würde ich dann als erfolgreich werten, wenn der entsprechende Kandidat durchkam.
Eine Stimme als verloren zu werten, nur weil der Kandidat auch ohne diese Stimme schon eine Mehrheit hatte, halte ich für eine zumindestens unübliche (um die Wertung "falsch" mal zu vermeiden) Definition.

Aber das ist dann letztlich Geschmackssache, in der Sache ist das wohl geklärt.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Juli 2001 - 22:19 Uhr:   

Beim Vergleich mit einem Verhältniswahlsystem ist der Punkt genauso interessant ("Verlorene" überflüssige Stimme für einen eh schon gewählten Kandidaten). Denn am Ende interessiert nur die Zahl der Stimmen und Zahl der Abgeordneten einer Partei.

Hier ist auch der Ansatz zu einer Spielart des Gerrymandering; Hochburgbildung. Es werden möglichst nur oppositionelle Wähler in einem Wahlkreis zusammengefaßt.

Unüblich würde ich Hans Pertermanns Definition nicht nennen, auf Verhältniswahlsysteme ließe sich eine andere auch kaum anwenden.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. August 2001 - 11:20 Uhr:   

Ich finde, die Diskussion um "verlorene" Stimmen greift zu kurz. Denn der Anteil verlorener Stimmen sagt nicht unbedingt etwas über die Proportionalität des Wahlsystems aus. In den USA gehen sehr viele Stimmen verloren, trotzdem kommt(bezogen auf das ganze Land) die Sitzverteilung dem Stimmenverhältnis von Republikanern und Demokraten ziemlich nahe.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. August 2001 - 16:05 Uhr:   

Daß eine Sitzverteilung einem Stimmenverhältnis recht nahe kommt, sagt nichts über die Proportionalität des Wahlsystems aus.

Ein ähnliches Ergebnis könnte sich auch durch Münzwurf ergeben.
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Thomas FRings
Veröffentlicht am Samstag, 08. September 2001 - 19:32 Uhr:   

Wie soll man die Proportionalität denn anders messen als durch die Nähe von Stimmen- u. Mandatsrelation ???
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Samstag, 08. September 2001 - 19:39 Uhr:   

Wenn man das Wahl"system" bewerten will, muß man das Kriterium auf alle möglichen Wahlergebnisse beziehen.
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Juwie
Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 10:03 Uhr:   

> Wenn man das Wahl"system" bewerten will, muß man das Kriterium auf alle > möglichen Wahlergebnisse beziehen.

Aber doch wohl nur auf solche, die "wahrscheinlich" sind, womit wir wieder mal beim Thema der politisch-kulturellen Faktoren sind.
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Frank Schmidt
Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 10:11 Uhr:   

@Juwie

Bei dieser Bundestagswahl gewann die SPD 171 Direktmandate, die Union nur 125 (und PDS 2, Grüne 1). Das Resultat ist nicht gerade proportional zum Stimmenverhältnis.
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Demokrat (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. März 2006 - 15:33 Uhr:   

@Frank Schmidt
Das ist aber dadurch ausgeglichen worden, daß bei uns (von Überhangmandaten einmal abgesehen) die Zweitstimme für die Mandatsverteilung nach Parteien (nicht nach Personen) ausschlaggebend ist.

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