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Dr. Prokt
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. September 2004 - 18:06 Uhr: | |
Hallo! Fall 1: Die Anzahl der abgegebenen Stimmen entspricht 100%. Die Anzahl der Wahlberechtigten entspricht nicht 100%. Wenn nun 20% der abgegebenen Stimmen ungültig sind, müsste ein gewähltes Parlament 20% weniger Sitze haben. Fall2: Oder: Nicht die Anzahl der abgegebenen Stimmen entspricht 100%, sondern die Anzahl der gültigen abgegebenen Stimmen entspricht 100%. Dann wäre ein Parlament nicht um 20% der Sitze ärmer, wenn 20% der Wähler ungültig gewählt haben. Welcher der beiden Fälle stimmt also? Wie werden ungültige Stimmen gewertet? |
c07
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. September 2004 - 19:08 Uhr: | |
Für die Sitzverteilung spielen normalerweise ungültige Stimmen gar keine Rolle, ebenso wie die Nichtwähler und auch Stimmen an Parteien, die an einer Sperrklausel gescheitert sind. Außerdem gibt es üblicherweise sowieso keine klare Zuordnung von Stimmanteilen zu Sitzanteilen, sondern es werden Verfahren verwendet, die immer genau eine vorher fest bestimmte Sitzzahl an die beteiligten Parteien bzw. Listen zuteilen (abgesehn von Überhangmandaten u.Ä.). |
Dr. Prokt
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. September 2004 - 19:28 Uhr: | |
Ok, daraus leite ich ab, dass es keinen Unterschied gibt, ob man nicht wählt oder ungültig wählt. |
c07
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. September 2004 - 22:13 Uhr: | |
Nicht für die eigentliche Sitzverteilung. Es gibt natürlich den kosmetischen Unterschied in der Statistik, und in Berlin erhöht sich auch die Sperrklausel durch ungültige Stimmen. Es gibt übrigens schon etliche andere Threads zu diesem Thema, die relativ leicht zu finden sein sollten, weil sie IIRC "ungültig" im Titel haben. |
Kai
| Veröffentlicht am Donnerstag, 23. September 2004 - 15:07 Uhr: | |
@c07 Sind Sie sich da so sicher? Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass es sich bei Sperrklauseln, die sich ohne genaue Spezifizierung auf "Stimmen" beziehen, die gültige Stimmenzahl meinen. Selbst wenn 2001 die Sperrklausel in Berlin anders angewendet worden sein sollte (gibt es dagegen eigentlich kein Wahlprüfungsverfahren), inzidiert das noch nicht die Richtigkeit. Mit dem Sinn und Zweck der Sperrklausel ist eine Bezugnahme auf alle abgegebenen, also auch die ungültigen, kaum vereinbar. Eine Klausel, die ausdrücklich hierauf abstellt, halte ich daher für verfassungswidrig, eine, die hierzu schweigt (wie das Berliner Wahlrecht), müsste verfassungskonform ausgelegt werden. |
c07
| Veröffentlicht am Samstag, 25. September 2004 - 02:21 Uhr: | |
Kai: > Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass es sich bei Sperrklauseln, > die sich ohne genaue Spezifizierung auf "Stimmen" beziehen, > die gültige Stimmenzahl meinen. Das kann man durchaus so sehn, aber es gibt hier ja eine Spezifizierung: "abgegebene Zweitstimmen". Zudem ist davor von "abgegebenen gültigen Stimmen" die Rede, woraus man schließen kann, dass es auch abgegebene ungültige Stimmen geben muss. Ansonsten könnte man diskutieren, ob eine ungültige Stimme überhaupt eine Stimme ist. Nebenbemerkung: Formal nach der Rechtschreibung analysiert müsste "abgegebene gültige Stimmen" in Opposition zu "nicht abgegebene gültige Stimmen" stehen, aber erstens ergibt das keinen Sinn und zweitens wird die Regel, dass zwischen gleichrangigen adjektivischen Ausdrücken immer ein Komma stehn muss, allgemein ignoriert (seltsamerweise ist dieses Komma auch nach der neuen Rechtschreibung trotzdem noch obligatorisch (bei richtiger Anwendung wär es allerdings auch sinnvoll)). > Mit dem Sinn und Zweck der Sperrklausel ist eine Bezugnahme > auf alle abgegebenen, also auch die ungültigen, kaum vereinbar. Warum? Wenn das Argument nur die Zahl der Parteien im Parlament sein sollte, wär auch der Bezug auf die gültigen Stimmen nicht damit vereinbar (man könnte stattdessen ja einfach an die z.B. 5 stärksten Parteien verteilen), und wenn es um die Stärke des Rückhalts gehn sollte, wär sogar ein Bezug auf die Wahlberechtigten angemessener. Wenn man prinzipiell die Stimmen zur Grundlage machen will, stellt sich halt die Frage, was man als Stimme zählen will. Bei versehentlich ungültig gemachten Stimmen und gewollten Enthaltungen wär es schon sinnvoll, sie in allen Belangen zu ignorieren, aber bei absichtlich ungültigen Stimmen seh ich keinen Grund, sie auszuschließen. Nachdem das (mangels Möglichkeit, eine Stimme normiert ungültig zu machen und das von einer Enthaltung abzugrenzen) nicht unterscheidbar ist, muss man eine Entscheidung treffen, und da halt ich beide Möglichkeiten für legitim. |
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