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Einfluss: Parteien auf Abgeordnete

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Tom
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Mai 2004 - 17:54 Uhr:   

Hallo,

kann mir jemand die Frage "Welchen Einfluss nehmen Parteien auf Abgeordnete" beantworten?
Danke schön im Voraus!

MFG
Tom
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Mai 2004 - 18:14 Uhr:   

Sie entscheiden über deren Aufstellung als Kandidat.
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Marc K.
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Mai 2004 - 19:59 Uhr:   

Und wenn Sie nicht abstimmen wie die Parteiführungen das wollen wird ihnen mal mehr oder mal weniger sanft bedeutet, dass sie nicht damit rechnen können wiederaufgestellt zu werden.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Mai 2004 - 21:04 Uhr:   

Zumindest bei Bundestagswahlen bestimmen die Parteiführungen allerdings nicht mal in der Praxis, wer aufgestellt wird (außer bei den Listenkandidaten der CSU, wo beides auf derselben Ebene ist). In der Theorie sowieso nicht.

Übrigens hat die Parteispitze der CSU vor der letzten Landtagswahl ganz massiv und öffentlich versucht, einen Stimmkreiskandidaten zu verhindern, der zu sehr in Skandale verwickelt war (Thomas Zimmermann in München-Bogenhausen). Er ist trotzdem nominiert und auch gewählt worden (wenn auch mit relativ bescheidenem Ergebnis).
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Marc K.
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 17:06 Uhr:   

@co7

"Zumindest bei Bundestagswahlen bestimmen die Parteiführungen allerdings nicht mal in der Praxis, wer aufgestellt wird (außer bei den Listenkandidaten der CSU, wo beides auf derselben Ebene ist). In der Theorie sowieso nicht."
Haben ich so auch nicht behauptet. Aber zu erinneren sei an die Aussagen Münteferings zu Abweichlern 2001 und die Vertrauensfrage Ende 2001. Hier wurde massiv Druck auf Abgeordnete ausgeübt. Müntefering sprach ja zuvor schon davon, dass diejenigen die gegen die Regierungslinie stimmen wollten sich überlegen sollten von wem sie aufgestellt wurden."

"Übrigens hat die Parteispitze der CSU vor der letzten Landtagswahl ganz massiv und öffentlich versucht, einen Stimmkreiskandidaten zu verhindern, der zu sehr in Skandale verwickelt war (Thomas Zimmermann in München-Bogenhausen). Er ist trotzdem nominiert und auch gewählt worden (wenn auch mit relativ bescheidenem Ergebnis)."
Wir können jetzt über Gegenbeispiele sprechen, z.B. der ehemalige Abgeordneten Metzger (Grüne) der aufgrund seiner kritischen Haltung und insbesondere seinen Abstrimmen gegen die Vorgaben des damaligen Bundesverteidigunsministers Scharping nicht wieder aufgestellt wurde.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 17:14 Uhr:   

> Wir können jetzt über Gegenbeispiele sprechen, z.B. der ehemalige
> Abgeordneten Metzger (Grüne) der aufgrund seiner kritischen Haltung
> und insbesondere seinen Abstrimmen gegen die Vorgaben des damaligen
> Bundesverteidigunsministers Scharping nicht wieder aufgestellt wurde.

Metzger war doch selber schuld. Er war sich ja zu fein, noch für Listenplatz 8 anzutreten. Den hätte er zwar nicht unbedingt bekommen, aber spätestens auf 10 wär er dabei gewesen. Und das hätte ja dank dem Özdemir-Rückzug noch gereicht. Man kann den Delegierten wirklich keine Bösartigkeit attestieren, dass sie im Frühjahr 2002 Metzger nicht vor Kuhn, Schlauch oder Özdemir reihen wollten.
Das Beispiel Metzger ist natürlich dennoch geeignet, gewisse Fragen zum System zu stellen. Für STV wär er ein idealer Kandidat, da er in nennenswertem Umfang Cross-Border-Transfers ziehen könnte.
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Marc K.
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 17:56 Uhr:   

Angesichts der innerparteilichen Machtverhältnisse war er chancenlos. Das Kuhn als damaliger Parteivorsitzender nach vorne gesetzt wurde ist klar. Über den Herrn Schlauch will und seine Fliegerei will ich mich jetzt mal nicht äußern, anders als Herr Özdemir, dem ich dafür hoch achte, hat er ja nicht die Konsequenzen gezogen.
Das alles war aber bei der Kandidatenaufstellung nicht absehbar. Listenplatz 8 wäre schon sehr unsicher gewesen und Listenplatz 10 praktisch ausgeschlossen (die Grünen haben ja trotz ihres guten Ergebnisses nur 9 Sitze in Baden-Würtenberg geholt).
Das Metzger als profilierter Haushaltspolitiker sich aber nicht auf chancenlose bzw. nahezu chancenlose Listenplätze abschieben lassen wollte finde ich sehr verständlich.
Ob er selbst diese bekommen hätte halte ich für fraglich, hatte sich zwischen ihn und der Parteiführung zu diesem Zeitpunkt schon eine große Distanz aufgebaut.
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Marc K.
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 18:00 Uhr:   

"Das Beispiel Metzger ist natürlich dennoch geeignet, gewisse Fragen zum System zu stellen. Für STV wär er ein idealer Kandidat, da er in nennenswertem Umfang Cross-Border-Transfers ziehen könnte."
- Sicher: das passt aber nicht in unser gegenwärtiges Wahlsystem hinein. Vorstellbar und immer wieder einmal diskutiert wird ja Kummulieren und panaschieren innerhalb der Landeslisten. Angesichts des Umfangs von Landeslisten ist das jedoch überhaupt nicht praktikabel. Das Problem zeigt sich ja schon bei Kommunalwahlen, wie z.B. bei einer größerern Kommune wie Frankfurt, wo 93 Sitze zu vergeben sind und weit mehr als 600 Kandidaten auf den Listen zur Wahl standen.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 20:23 Uhr:   

Marc: Wenn mit der Kandidatenaufstellung alles klar wär, bräuchten wir nicht mehr zu wählen. Wer das Risiko, nicht gewählt zu werden, nicht ertragen kann, darf halt nicht in die Politik gehn. Bei den Grünen besteht ohnehin auch auf den vorderen Plätzen ein gewisses Risiko, dass sie an der Sperrklausel scheitern.

Platz 10 war übrigens auch aus damaliger Sicht nicht völlig aussichtslos. Das Ergebnis der Grünen war ja so gut auch wieder nicht, Baden-Württemberg hat in absoluten Zahlen eine deutlich unterdurchschnittliche Wachstumsrate gehabt und der Idealanspruch war trotzdem schon oberhalb von 9 Sitzen. Bei 9 Leuten ist es auch nicht so unwahrscheinlich, nachrücken zu können. Hauptrisiko war eh die PDS.

IIRC hat Metzger übrigens schon nicht mehr für Platz 4 kandidiert, und auf Platz 8 hätt ich ihm sehr gute Chancen gegeben (aber da weiß Mörsberg wohl besser bescheid).

[STV]
> Angesichts des Umfangs von Landeslisten ist das jedoch überhaupt nicht praktikabel.

Das ist aber kein Grund, weil man das ändern könnte, wenn man wollte. Und es ist praktikabel, wenn es nur zur parteiinternen Kandidatenaufstellung verwendet wird.
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Marc K.
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 20:47 Uhr:   

"> Angesichts des Umfangs von Landeslisten ist das jedoch überhaupt nicht praktikabel.
Das ist aber kein Grund, weil man das ändern könnte, wenn man wollte. Und es ist praktikabel, wenn es nur zur parteiinternen Kandidatenaufstellung verwendet wird."
Wie ohne die Landeslisten selbst zu zerschlagen??? Das ganze Kommulieren und panaschieren führt bereits in großen Kommunen wie Frankfurt zu mehr als Tischgroßen Stimmzetteln.
Es ist doch nicht so dass der Großteil der Wähler überhaupt einen Bruchteil der Kandidaten kennt. Selbst politisch sehr imformierte stehen doch da vor einem einzigen Namensalat.
Wie die Parteien ihre internen Wahlen regeln bleibt ihnen überlassen. Ob sie über die Listenplätze einzeln abstimmen oder über Listenvorschläge oder anders ist ihre interne Angelegenheit. Die einzige Vorgabe ist die grundgesetzliche nach einer demokratischen Bestimmung.


Ich muß gestehen, dass ich über diese sehr verschiedenen Modelle sehr unzureichend informiert bin. Ich kann nur aus eigenen Anschauung und Erfahrung sprechen. Das Kumulieren und panaschieren in großen Kommunen ist für den Wähler schlicht und ergreifend eine Zumutung, wenn er kaum in der Lage ist den Wahlzettel überhaupt in der Wahlkabine auf dem Tisch auszubreiten (obwohl der dafür sogar noch extra groß war).
Interessant fand ich die Idee Präferenzstimmen für Parteien zu vergeben. Ich bin ein Befürworter der 5%-Hürde, aber Wählern kleinerer Parteien die Möglichkeit zu geben über weitere Präferenzen für größere Parteien doch noch Einfluß auf die Parlamentszusammensetzung zu geben würde ich nicht pauschal ablehnen.
Zudem ließe sich das noch am ehesten in unserer bestehendes System integrieren.
Bei anderen Vorschlägen bin ich da sehr skeptisch bzw. würde gerne wissen wie denn das konkret gehen soll.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 22:43 Uhr:   

Marc:
> Wie ohne die Landeslisten selbst zu zerschlagen???

Natürlich müsste man die größeren davon unterteilen. Aber sie sind ja kein Heiligtum.

> Selbst politisch sehr imformierte stehen doch da vor einem einzigen Namensalat.

Ja, deshalb halt ich es auch nicht generell für sinnvoll.

> Wie die Parteien ihre internen Wahlen regeln bleibt ihnen überlassen.

Ziemlich. Bei der Europawahl sind die Einschränkungen aber recht groß, weshalb ja die FDP ihre Vertreterversammlung wiederholen hat müssen. STV müsste aber auch mit den Bestimmungen in § 10 EuWG kompatibel sein.

Bei STV stellt im Prinzip jeder Wähler seine eigene Liste auf, indem er die Kandidaten durchnummeriert. Daraus wird dann eine gemeinsame Liste generiert.

Bei genauer Betrachtung ist aber STV mit Standardstreichungsregel für diesen Zweck nicht geeignet, weil ein Kandidat, der von allen auf Platz 2 gesetzt wird, durchaus als erster gestrichen werden kann und damit auf dem letzten Platz landet. Man bräuchte also eine Borda-ähnliche Streichungsregel, bei der nicht nur die Erstpräferenzen über die Streichung entscheiden.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Samstag, 29. Mai 2004 - 13:44 Uhr:   

> Bei genauer Betrachtung ist aber STV mit Standardstreichungsregel
> für diesen Zweck nicht geeignet, weil ein Kandidat, der von allen
> auf Platz 2 gesetzt wird, durchaus als erster gestrichen werden
> kann und damit auf dem letzten Platz landet. Man bräuchte also eine
> Borda-ähnliche Streichungsregel, bei der nicht nur die
> Erstpräferenzen über die Streichung entscheiden.
Das Problem beschränkt sich ja nicht auf die Streichung. Allein die Fiktion, nach STV vergebenen Sitze eine feste Reihenfolge zuweisen zu wollen, ist in jedem Fall problematisch. Bsp: Drei Gruppierungen (Parteien oder innerparteilich Strömungen) bewerben sich um drei Sitze, die nach STV vergeben werden. Dabei tritt Gruppe A mit drei Kandidaten an, B mit 2, C mit einem. Fiktives Wahlergebnis (Droop-STV, 39 Stimmen, Quota 10):

A1. .7 .9 .9 .9 16G
A2. .6 .7 .7 .7 A
A3. .3 A
B1. .8 .8 13 10G
B2. .5 .5 A
C1. 10G

(an 39 fehlende nicht transferierbar)
Reihenfolge (Kandidaten): C1, B1, A1
Reihenfolge (Gruppen): A, B, C

Man müsste also auch sicherstellen, dass nachgeordnete Präferenzen für bereits gewählte Kandidaten für die Rangliste gewichtet werden. Wenn das Borda auch schafft, dann isses in Ordnung.
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 29. Mai 2004 - 19:15 Uhr:   

STV ist tatsächlich für diesen Zweck ungeeignet, weil da hintere Präferenzen niemals berücksichtigt werden, solang vordere befriedigt werden können. Man müsste also gleich ein Borda-artiges System nehmen, wo stets auch die hinteren Präferenzen berücksichtigt werden. Nur Streichung nach Borda (STV-B) reicht noch nicht.

Mit einem Borda-artigen System wird übrigens die Rangfolge beim Grand Prix erstellt. Das Problem an normalem Borda ist, dass es die hinteren Präferenzen zu stark gewichtet, wenn es sehr viele Kandidaten gibt. Beim Grand Prix wird das dadurch gelöst, dass nur die vorderen 10 Präferenzen gewertet werden und die ersten beiden einen größeren Abstand haben. Eine perfektere Lösung müsste den Kandidaten Punkte auf einer exponentiell abfallenden Skala zuordnen.

Borda hat allerdings nicht die proportionalen Eigenschaften von STV (dass eine Minderheit gemäß ihrem Anteil berücksichtigt wird). Bei der Aufstellung geschlossener Listen wär es deshalb vielleicht optimal, wenn man die Plätze, die als ziemlich sicher gelten, mit STV besetzt und nur für den Rest ein punkteorientiertes Verfahren nimmt.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Juni 2004 - 14:37 Uhr:   

Wenn wir hier die Anwendung von STV, Borda und Verwandtem hauptsächlich zur innerparteilichen Kandidatenaufstellung als Option diskutieren, dann haben die nicht parteiangehörigen Wähler wenig gewonnen, solange die Listen starr bleiben - zumindest wenn man Nominierungen nicht so wie in den USA organisiert.
Andererseits könnten es die Parteien wenigstens ohne Schwierigkeiten sofort einführen, wenn sie auf diese Weise einen besseren Strömungsproporz herzustellen glauben. Für die Attraktivität einer Liste auf potenzielle Wähler ist dieser dann natürlich auch wieder von Bedeutung, nur müssen die Parteien gewissermaßen vorentscheiden, was ihre Wähler ihrer Meinung nach wollen.
Bei den langen Landeslisten der großen Parteien geht aber die Übersicht verloren, so dass etwa die CDU auf den Plätzen NRW 25-35 oder die SPD auf BaWü 20-29 machen kann, was sie will, die Leute kennt dann kaum noch jemand außerhalb ihres eigenen Kreises.
Da kann nur noch entweder eine wirksame Personalisierung seitens der Wähler oder eine erhebliche Verkleinerung der zu den Listen gehörigen Territorien auf der untersten Ebene abhelfen, um Einfluss von den Parteien zu den Wählern zu verschieben (darum gings ja in diesem Thread).

> Bei der Aufstellung geschlossener Listen wär es deshalb vielleicht
> optimal, wenn man die Plätze, die als ziemlich sicher gelten, mit
> STV besetzt und nur für den Rest ein punkteorientiertes Verfahren
> nimmt.
Das setzt ein berechenbares Wählerverhalten voraus. Bei Bundestagswahlen kann man so etwas also vermutlich machen, aber bereits bei den vielen Landtagswahlen geht es zuweilen so hin und her, dass es nicht mehr praktikabel wäre.
Zu irrationales Auf und Ab im Wählerverhalten, das in jüngerer Zeit vor allem durch One-Man-Shows oder gesichtslose Parteien produziert wurde, ließe sich andererseits durch wirksame Personalisierung eindämmen: In Österreich (lachhaftes Vorzugsstimmen-Modell) kann die HPM-Liste mit zwei EP-Sitzen rechnen, obwohl die Leute ja "nur" den Martin wählen wollen. Bei STV hingegen würde Martin zwar auch (vermutlich auf Anhieb) die Quotenbedingung erfüllen, die Überhangtransfers gingen aber nicht an die anderen Pappnasen auf der Liste, sondern verteilten sich kreuz und quer oder die Stimmen endeten als nicht transferierbar. Bei Schill wäre Ähnliches passiert. Für die DVU wärs eh der Tod.
Es muss nicht unbedingt STV sein, ich könnte auch mit der lettischen Variante gut auskommen, solange keine Reihung durch die Parteien vorgegeben wird (übrig bleiben halt nur mögliche Alphabet-Zufälle).
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Juni 2004 - 23:13 Uhr:   

Mörsberg:
> nur müssen die Parteien gewissermaßen vorentscheiden,
> was ihre Wähler ihrer Meinung nach wollen.

Das ist eine Sichtweise, die Wahlen und Parteien eigentlich überflüssig macht. Eine Partei muss erst mal wissen, was sie selber will, und die Wähler wählen dann aus dem verfügbaren Angebot.

> um Einfluss von den Parteien zu den Wählern zu verschieben

Dafür ist aber eine Personalisierung völlig ungeeignet, solang die Parteien über die Kandidaturen entscheiden können. Außerdem ist mir ziemlich egal, ob Kandidat A oder Kandidat B für Partei X abstimmt. Die Inhalte werden ja weiter im Wesentlichen von der Partei bestimmt, und die Personen bestimmen hauptsächlich über die Effektivität der Umsetzung. Wer dafür geeignet ist, können die Parteien besser als die Wähler beurteilen. Eine wirklich eigene Qualität bekommt eine Personenwahl erst dann, wenn es um Regierungsämter geht, wo der persönliche Einfluss der Amtsinhaber weit größer ist.

Wer tatsächlich Einfluss zu den Wähler verlagern will, muss ihnen erlauben, direkt über Inhalte zu entscheiden. Ob es eine Partei ist, die ich gewählt hab, oder eine Person, die ich gewählt hab, die gegen meinen Willen entscheidet, macht für mich keinen Unterschied.

> obwohl die Leute ja "nur" den Martin wählen wollen.

Ich bezweifle, dass das bei Union und SPD wesentlich anders ist.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 03:12 Uhr:   

Ich möchte hiermit mal in Frage stellen, ob die Bürger wirklich eine stärkere Personalisierung wollen.

Am 13.6.2004 findet neben der Europawahl in Hamburg auch eine Volksabstimmung über ein neues Wahlrecht statt. Meine Partei (FDP) und die Grünen unterstützen dabei die Volksinitiative Faires Wahlrecht (www.faiers-wahlrecht.de), während SPD und CDU das Bundestagswahlrecht einführen wollen (bisher gibt es nur ein Einstimmen-Listenwahlrecht).

Inhaltlich bin ich durchaus für den Entwurf der Volksinitiative, was mich aber zweifeln läßt, ist die Tatsache, daß ich auf jedem Infostand von Wahlberechtigten angesprochen werde, die strikt dagegen sind. Deren Argument ist, daß sie eine bestimmte Partei und deren Politik wählen wollen und dagegen sind, daß einzelne Abgeordnete "ihr eigenes Süppchen kochen" (O-Ton).

Was würdet Ihr denen entgegenhalten?
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 03:14 Uhr:   

mea culpa

Die Website residiert unter "www.faires-wahlrecht.de". Der Schreibfehler ist der Uhrzeit geschuldet.
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J.A.L.
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 10:33 Uhr:   

@ C.-J. Dickow:
Interessanter Einwand. Ich sehe das sehr ähnlich, befürchte nämlich ein von großen Show-Zampanos im Stile eines H.-P. Martin oder jemand vergleichbar mit dem verstorbenen Jürgen W. M. weit über dem jeweiligen Stimmeanteil dominiertes Parlament.

Gegenargumente gegen diese Befürchtung habe ich auch noch nie gehört. Es gilt wohl als Axiom: "Personalisierung=Bürgernähe=absolut gut"
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 11:01 Uhr:   

Ich bin da auch sehr am Schwanken - und dabei halte ich die Gefahr durch Populisten gar nicht mal für wesentlich (siehe Schill-Partei - der ist ja ohne Personenwahl mit 20% ins Parlament gekommen).

Einerseits ist es bedenklich, wie gerade in den großen Parteien die Hinterbänkler durch Zuteilung von Mandatschancen diszipliniert werden. Bei Personenwahlelementen müssen die Wünsche der Wähler viel stärker berücksichtigt werden.

Andererseits macht das Wahlangebot einer Partei ja eigentlich nur als Paket einen Sinn: Die Inhalte plus die Personen, die diese Inhalte aktiv erarbeitet haben und vertreten. Wenn z. B. der einen Parteiflügel sich mehrheitlich beim Programm durchsetzt, aber die Liste dann so umgewürfelt wird, daß der andere Parteiflügel das Sagen in der Fraktion hat - dann paßt da nichts mehr.

Und in der Praxis kennen die Wähler nun die Kandidaten deutlich weniger gut als die jeweiligen Parteimitglieder. D.h. tendenziell werden weniger wie erhofft die produktiven Querdenker gewählt, sondern halt die Frauenärzte und Schulleiter, die bekannt sind.
Und je stärker die Wähler die Personen auswählen, desto schwieriger wird es, Leute ins Parlament zu bekommen, die "nur" qualifiziert sind, aber nicht gut auftreten können.

Das gibt es schon häufiger: Irgendwelche unscheinbaren oder gar häßlichen alten Säcke, die nicht gut reden können und schlecht ankommen - die aber hinter den Kulissen fleißig, kompetente und engagiert die halbe Fraktionsarbeit machen.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 14:08 Uhr:   

@c07:
> Eine Partei muss erst mal wissen, was sie selber will, und die
> Wähler wählen dann aus dem verfügbaren Angebot.
In Parteien, die ein breites Spektrum abdecken, gibt es ja auch immer einen internen Strömungsproporz. Und warum sollte man über diesen nicht auch die Wähler mitentscheiden lassen?

> ist mir ziemlich egal, ob Kandidat A oder Kandidat B für Partei X
> abstimmt.
Wenn Abstimmen das Einzige wäre, was ein Abgeordneter macht, dann könnte es egal sein. Ich betrachte Parlamentarier allerdings nicht nur als potenzielles Stimmvieh.

> Wer tatsächlich Einfluss zu den Wähler verlagern will, muss ihnen
> erlauben, direkt über Inhalte zu entscheiden.
Auch das. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

@ C.-J. Dickow:
> Deren Argument ist, daß sie eine bestimmte Partei und deren Politik
> wählen wollen und dagegen sind, daß einzelne Abgeordnete "ihr
> eigenes Süppchen kochen" (O-Ton).
Dann müssen sie eben genau diejenigen wählen, die ihren Anforderungen entsprechen. Viele dieser Argumente, die da kommen, halte ich für teilweise vorgeschoben. In Wirklichkeit fürchtet man jedoch die Notwendigkeit, sich eingehender über die einzelnen Kandidaten informieren zu müssen.

@ Ralf:
> Wenn z. B. der einen Parteiflügel sich mehrheitlich beim Programm
> durchsetzt, aber die Liste dann so umgewürfelt wird, daß der andere
> Parteiflügel das Sagen in der Fraktion hat - dann paßt da nichts
> mehr.
Das wird dazu führen, dass sich die Fraktion dem Programm nur noch lose verbunden fühlt. NB: Ich erinnere mich daran, mal eine Untersuchung von Anfang der 90er gefunden zu haben, wo Abgeordnete und Wähler anhand von Schlüsselfragen auf einer Links-Rechts-Skala eingeordnet wurden. Heraus kam für alle (Union, SPD, Grüne, FDP), dass die jeweiligen Abgeordneten weiter links standen als die Wähler.

> Irgendwelche unscheinbaren oder gar häßlichen alten Säcke, die
> nicht gut reden können und schlecht ankommen - die aber hinter den
> Kulissen fleißig, kompetente und engagiert die halbe
> Fraktionsarbeit machen.
Ich wäre so optimistisch zu behaupten, dass auch solche Leute in der Regel gewählt würden - man sollte seine Mitwähler ja auch nicht unterschätzen. Die Überrepräsentation der lokalen Honoratioren hat man mehr in den Kommunalparlamenten.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 16:19 Uhr:   

@Mörsberg:
> Das wird dazu führen, dass sich die Fraktion dem Programm nur noch
> lose verbunden fühlt.
Was in gewissem Maße unproblematisch und normal ist (komplett auf Parteilinie kann eine Fraktion ohnehin nie liegen).
Bei sehr starkem Personenwahlfaktor kann das aber zum Problem werden.

> Ich wäre so optimistisch zu behaupten, dass auch solche Leute in
> der Regel gewählt würden - man sollte seine Mitwähler ja auch nicht
> unterschätzen.
Da bin ich eher skeptisch.

> Die Überrepräsentation der lokalen Honoratioren hat man mehr in den
> Kommunalparlamenten.
Weil nur dort bisher der Personenfaktor auch im Wahlsystem vorgesehen ist!
Auf Landes- oder gar Bundesebene wäre der Faktor "Schönheit statt Kompetenz" m. E. viel stärker, weil die Kandidaten noch weniger bekannt wären.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 17:02 Uhr:   

Mörsberg:
> In Parteien, die ein breites Spektrum abdecken, gibt es ja auch
> immer einen internen Strömungsproporz. Und warum sollte man über
> diesen nicht auch die Wähler mitentscheiden lassen?

Wenn man das wollte, bräuchte man Sublisten und keine Personalisierung. Wenn relevante Strömungen schon keine eigene Partei gründen wollen, könnte man erlauben, dass eine Partei mehrere verbundene Listen einreicht und dass für die 5%-Hürde die Gesamtheit maßgeblich ist.

> In Wirklichkeit fürchtet man jedoch die Notwendigkeit, sich
> eingehender über die einzelnen Kandidaten informieren zu müssen.

Teilweise ist das schlicht unmöglich. Eine realistische Chance hat man fast nur bei denen, die schon bisher ein Mandat haben. Insofern führt eine Personalisierung auch zur Veralterung des Parlaments. Ich war z.B. bei den bayrischen Landtagswahlen bisher immer gezwungen, ein MdL zu wählen, obwohl ich das eigentlich gar nicht will.

> Das wird dazu führen, dass sich die Fraktion dem Programm
> nur noch lose verbunden fühlt.

Das heißt aber auch, dass man eine Personenwahl immer obligatorisch machen oder dem Rest eine echte Listenwahl zugestehen muss (wie bei den niedersächsischen Kommunalwahlen, wo die reinen Listenwähler ihre anteilige Listenlänge bekommen). Sonst bekommen die Wähler letztlich ganz was anderes, als sie gewählt haben. Eine Formulierung wie "Die stimmberechtigte Person kann durch Kennzeichnung eines Wahlvorschlags diesen unverändert annehmen" (im bayrischen GLKrWG) ist eigentlich reiner Betrug, weil sie das eben nicht kann. Es ist nur eine etwas weichere Form von Enthaltung.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Juni 2004 - 20:33 Uhr:   

> Auf Landes- oder gar Bundesebene wäre der Faktor "Schönheit statt
> Kompetenz" m. E. viel stärker, weil die Kandidaten noch weniger
> bekannt wären.
Helmut Kohl, Claudia Roth, Angela Merkel, Roland Koch.
Nein, im Ernst: Überschaubarkeit ist für eine wirksame Personalisierung natürlich unabdingbar. In der Wahlsystemdebatte sind wir ja auch deswegen auf das Modell der parteispezifischen Wahlkreise gekommen, weil die Parteien so eine für sich optimale "Reviergröße" erreichen könnten.

> Es gilt wohl als Axiom: "Personalisierung=Bürgernähe=absolut gut"
Für Personalisierung lassen sich auch andere Argumente finden als eine vermeintliche oder tatsächliche Bürgernähe. Eines ist, dass dadurch gesichtslose Phantomparteien keine Chancen haben. Ein anderes ist, dass es Oberpopulisten wie Schill oder HPM schwerer haben sollen, mit Stimmen, die ihnen persönlich gelten, gleich einem ganzen Schwarm Pappnasen Mandate zu verschaffen. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese Ziele nicht auch anders erreicht werden können.
Viel wichtiger ist mir aber: Wenn man schon Personalisierung betreibt, dann bitte konsequent und nicht in Form irgendwelcher Scheinpersonalisierungen oder mit Verfahren, die ihre eigene Intention weitgehend haarscharf verfehlen.

Und deswegen sollte man im Fall Hamburg...
> während SPD und CDU das Bundestagswahlrecht einführen wollen
... jenen beiden Parteien genau diesen Unfug um die Ohren hauen, denn verglichen damit ist die bisherige Variante...
> (bisher gibt es nur ein Einstimmen-Listenwahlrecht).
... eindeutig vorzuziehen.
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Juwie
Veröffentlicht am Donnerstag, 03. Juni 2004 - 08:29 Uhr:   

Das Problem ist schon, dass ein mehr an personeller Auswahl eine Prämie für "außergewöhnliches" Verhalten darstellt. Kann man in Bayern bei Kommunalwahlen, aber auch Landtagswahlen stets beobachten.

Ganz deutlich ist es in den USA zu sehen, wo die Parteien faktisch nur geringen Einfluss darauf haben, wer auf ihrem "Ticket" antritt. So haben vor einigen Jahren die Republikaner in Louisiana nicht verhindern können, dass an ihren Vorwahlen für den Gouverneursposten ein führendes Mitglied des Ku-Klux-Clan teilnahm.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 03. Juni 2004 - 14:29 Uhr:   

@Mörsberg:
> Helmut Kohl, Claudia Roth, Angela Merkel, Roland Koch.
Und das sind für Dich Beispiele von "Schönheit statt Kompetenz"? ;-)

Da muß ich erstmal eine aktuelle Anekdote bringen: In einer unserer Hauptstraßen hatte die CDU eine Reihe Plakate angebracht, zur Hälfte Merkel, zur Hälfte Themen.
Und danach kam die FDP und hat ihre Plakate danebengestellt, da war die Silvana Koch-Mehrin drauf.
Und die sieht nun mal gut aus, und ist auch m. E. auf den Plakaten gut getroffen.
Während Merkel, nun ja, eher den Schwerpunkt auf den inneren Werten hat und auf den aktuellen Plakaten auch recht schlecht präsentiert wird (vor allem durch die merkwürdigen Hintergrundfarben).
Gab einen klaren Kontrast.
Und zwei Tage später waren exakt die Merkel-Plakate aus dieser Straße verschwunden und in der Nachbarstraße aufgestellt ...

Nun ja, zurück zum Thema: Bei so bekannten Promis haben die Wähler natürlich viel mehr Informationen, nach denen sie entscheiden können (obwohl es angeblich Untersuchungen gibt, daß Schröder 2002 nur gewonnen hat, weil er bei weiblichen Wählern einen Vorsprung an männlicher Attraktivität gegenüber Stoiber hatte ...).

Bei den meisten übrigen Politikern kennen die Wähler selten mehr als Gesicht und Namen. Und da spielt m. E. die äußere Erscheinung eine ganz überragende Rolle, während die Kompetenz nur sehr schwer vermittelt werden kann.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Freitag, 04. Juni 2004 - 14:36 Uhr:   

@c07:
> Teilweise ist das schlicht unmöglich. Eine realistische Chance hat
> man fast nur bei denen, die schon bisher ein Mandat haben. Insofern
> führt eine Personalisierung auch zur Veralterung des Parlaments.
> Ich war z.B. bei den bayrischen Landtagswahlen bisher immer
> gezwungen, ein MdL zu wählen, obwohl ich das eigentlich gar nicht
> will.
Eine konsequente Personalisierung würde ja auch die Wahlkampfführung verändern. Die Parteien hätten ein Interesse, ihre einzelnen Kandidaten besser bekannt zu machen.
Wenn ich mir hier geäußerte Deine Skepsis gegenüber einigen Formen der Personalisierung anschaue, dann frage ich mich allerdings, weswegen Du in Deinem Wahlsystementwurf in der STV-Variante nach Meek umverteilen wolltest. Es ist schließlich dasjenige (von den mir bekannten) Verfahren, bei dem man mit nachgeordneten Präferenzen tendenziell am meisten beeinflussen kann. Und damit wären Wähler im Vorteil, die wirklich alle Kandidaten im Wahlkreis (bis auf den Letzten) einreihen. Und wenn man eine solche Reihung rational vornehmen möchte, muss man schließlich über alle Kandidaten etwas wissen.

@Ralf:
> Bei den meisten übrigen Politikern kennen die Wähler selten mehr
> als Gesicht und Namen. Und da spielt m. E. die äußere Erscheinung
> eine ganz überragende Rolle
Und, nicht zu vergessen, der Beruf, falls angegeben. Allerdings mit klaren parteispezifischen Unterschieden.
Nur fängt hier auch wieder die Spekulation an. Ich schätz die möglichen Auswirkungen nicht so pessimistisch ein. Vielleicht bin ich aber auch zu befangen, weil ich mich gewohnheitsmäßig überdurchschnittlich über Politik informiere (meine ich jedenfalls).
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 05. Juni 2004 - 13:40 Uhr:   

Mörsberg:
> Eine konsequente Personalisierung würde ja auch die Wahlkampfführung verändern.

Bei den Systemen, die in Bayern verwendet werden, kann ich nicht viel davon erkennen. Bei der Landtagswahl werden fast ausschließlich die Direktkandidaten beworben. Die haben oft Partnerschaften untereinander (X empfiehlt Y für die Zweitstimme und umgekehrt). Sonst werden noch die Minister ohne Stimmkreis beworben, aber das wars dann auch. Insbesondere hat fast immer ein einziger Kandidat das Monopol für seine Partei in einem bestimmten Gebiet.

Beim Stadtrat beschränkt sich der personenorientierte Wahlkampf weitgehend auf die jeweiligen Heimatstadtviertel mit dem primären Ziel, die jeweiligen Ortsverbände im Stadtrat zu stärken. Bei Bezirkstag und vor allem Bezirksausschüssen kann man nicht mal nach Schönheit wählen, weil keine Fotos geschweigedenn sonstige Informationen aufzutreiben sind.

Dass ein Kandidat seinen Dissens zur Parteilinie zum Ausdruck bringt, kommt so gut wie nie vor. Leute wie Ströbele können sich das auch nur leisten, weil sie ja bereits bekannt sind. An Argumenten wird fast ausschließlich die Begünstigung eines bestimmten Gebiets gebracht. Manchmal auch bestimmte Themenschwerpunkte, die aber in der Regel die konkrete inhaltliche Richtung offen lassen, wenn es nicht eindeutig um reine Lobbyarbeit geht.

Ein guter Teil des Wahlkampfs hängt auch davon ab, wen die Medien beachten. Bisher unbekannte Kandidaten, die nicht von der örtlichen Partei massiv forciert werden, haben da in der Praxis nur dann Chancen, wenn es zu größeren Skandalen kommt.

> Die Parteien hätten ein Interesse, ihre einzelnen Kandidaten besser bekannt zu machen.

Dieses Interesse haben nur die Kandidaten selbst. Die Partei hat dagegen ein Interesse daran, die zu promoten, die sie auch auf einer geschlossenen Liste vorn platziert hätte, und den Rest zu verschweigen.

In der Praxis bleibt einfach die Wahl zwischen den Parteien. Innerhalb von ihnen gibt es kaum eine echte Wahl. Der Unterschied ist nur, dass die Parteien ein konkreteres und regionalisiertes Gesicht bekommen.

> frage ich mich allerdings, weswegen Du in Deinem Wahlsystementwurf
> in der STV-Variante nach Meek umverteilen wolltest.

Ich hab nicht gesagt, dass ich das will. Ich hab nur die Möglichkeit dazu dargestellt.

> Und damit wären Wähler im Vorteil, die wirklich alle Kandidaten
> im Wahlkreis (bis auf den Letzten) einreihen.

Nein, weil die Reststimmen in diesem Modell an eine Liste auf höherer Ebene gehen würden und damit die restlichen Kandidaten im Wahlkreis völlig unberührt blieben. Es ist für mich eben deshalb akzeptabel, weil es die echte Möglichkeit beinhaltet, die vorgegebene Reihenfolge zu wählen. Solang das Personenwahlelement wie hier wirklich nur optional ist, ist es für mich bedenkenlos. Allerdings ist es nur sinnvoll, wenn es auch von einem beträchtlichen Teil der Wähler genutzt wird, weil sich sonst gegenüber einer festen Liste praktisch nie was ändert und damit der Aufwand nicht gerechtfertigt ist.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Samstag, 05. Juni 2004 - 14:11 Uhr:   

Wie sieht das denn in Bayern mit der Reihenfolge der Kandidaten auf dem Stimmzettel aus? In der Regel ist das ja für die Parteien die Stelle, an denen sie die ihnen genehme Vorstrukturierung vornehmen. Wenn ihnen diese Möglichkeit genommen wird, etwa durch eine obligatorische alphabetische Reihung, dann haben sie es schwerer, ihre Vorstellungen durchzusetzen.
Ich weiß von Kommunalwahlen in BaWü, dass die Parteien (SPD, FDP, Grüne, CDU) ihre Listen in der Regel bewusst vorsortieren, meine Reihenfolge in der Klammer gibt an, wer dabei erfolgreich ist, und wer eher weniger. Die FWV reiht ihre Leute dagegen oft einfach nur alphabetisch und das funktioniert auch ganz gut.
Insgesamt sind die möglichen Effekte durch alphabetische Zufälle zwar auch nicht unproblematisch - wer oben steht oder neben einem anderen Prominenten, kann Zufallsvorteile erlangen. Aber es wäre ein deutliches Zeichen, wenn bei der Anordnung die Person (also ihr Name) prioritär zur Parteizugehörigkeit wäre.

Ich geb Dir recht, dass meine Personalisierung tendenziell bessere Erfolgsaussichten hat, wenn die Partei(en) der von mir bevorzugten Kandidaten sie auch praktisch zulässt/zulassen.
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 05. Juni 2004 - 17:12 Uhr:   

Mörsberg:
> Wie sieht das denn in Bayern mit der Reihenfolge der Kandidaten
> auf dem Stimmzettel aus?

Zwang gibt es keinen. Die CSU (und weniger stark auch die Republikaner) sortiert bei der Landtagswahl die hinteren Plätze überwiegend alphabetisch; die Prominenz ist aber vorn. Die anderen Parteien sortieren nach anderen Kriterien.

Das ist eigentlich interessant, weil gerade bei der CSU die Zweitstimmen tatsächlich eine nennenswerte Bedeutung haben. Bei den anderen Parteien bestimmt ja eher der Stimmkreis über die Wahl. Vielleicht wollen sie dem Wähler signalisieren, dass da, wo die alphabetische Sortierung beginnt, die wichtigen Kandidaten aufhören. Aber bei nur einer Stimme kommen für die meisten Leute eh nur die oberen 3 Kandidaten oder so in Frage, obwohl es bei der CSU eigentlich keine aussichtslosen Plätze gibt, weil sie die Listen so kurz wie möglich hält.

Tatsächlich werden die von der alphabetischen Sortierung ausgenommenen Leute öfters nicht gewählt. Aber es sind meistens auch Leute ohne Stimmkreis, deren Chancen eh sehr begrenzt sind. Bei der CSU entscheidet ja die ganz kleine Minderheit, die Leute ohne Stimmkreis wählt. Und innerhalb dieser Minderheit überwiegen Leute, denen die Listennummern nichts bedeuten, weil sie ausreichend informiert sind.

Eine alphabetische Sortierung halt ich generell für unakzeptabel. Wenn man keine bestimmte Reihenfolge will, sollte man besser losen.
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Josef
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Juni 2004 - 02:16 Uhr:   

@c07:
Die Ausgangslage in Bayern ist ja die:
Die CSU gewinnt - außer in umstrittenen Gebieten (Teile Münchens, Nürnberg/Fürth, Teile Oberfrankens) - sicher alle Stimmkreise.
Das heißt: die Frage für die CSU, wer (außer den Direktkandidaten) reinkommt, ist, wenn in einem Wahlkreis mehr Sitze zu besetzten sind, als Stimmkreise gewonnen werden (was der Normalfall ist), wer die meisten (Zweit-)Stimmen holt.
Aufgrund des Wahlrechts (damit meine ich seine praktischen Auswirkungen, nicht nur den Gesetzeswortlaut) ergibt sich weiter, dass bei den anderen Parteien nur Kandidaten eine Chance haben, die auch einen Stimmkreis haben - Ausnahme dürfte wohl ein Spitzenkandidat im Wahlkreis sein, der keinen Stimmkreis hat, was aber jedenfalls nicht üblich ist.

Entsprechend gehen die Parteien auch vor:

Die CSU platziert ganz vorne ihre Promis (Minister z.B.) als Stimmenfänger, auch wenn die i.d.R. einen Stimmkreis haben. Die haben dann zwar (wenn sie einen Stimmkreis haben) weitere persönliche Stimmen nicht nötig, aber sie dienen dem Stimmenfänger für die Gesamtpartei.
Dann folgen die Kanditaten ohne Stimmkreis, die sich um die (wenigen) weiteren Sitze streiten - die sind politisch gereit.
Die ohnehin als gewählt gelten dürfenden Direktkandidaten stehen dann hinten - sie haben ja keine Zweitstimmen nötig. Deshalb kann man sie reihen, wie man will - was dann i.d.R. alphabetisch passiert.

Bei den anderen Parteien ist es so, dass in der vorderen Hälfte mehr oder weniger konsequent (je nach Partei) nur Bewerber mit Stimmkreis stehen. Hinten sind dann die de facto eh chancenlosen Nur-Wahlkreis-Bewerber.
Da "schadet" es dann auch nicht, wenn die alphabetisch gereiht sind, weil sie eben ohnehin praktisch keine Chance haben.
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Juni 2004 - 12:20 Uhr:   

Josef:
> Die CSU gewinnt - außer in umstrittenen Gebieten (Teile Münchens,
> Nürnberg/Fürth, Teile Oberfrankens) - sicher alle Stimmkreise.

Und wo sie nicht gewinnt, sind die Kandidaten trotzdem praktisch uneinholbar.

> Ausnahme dürfte wohl ein Spitzenkandidat im Wahlkreis sein, der keinen Stimmkreis hat

Im Prinzip völlig richtig, aber bei Promis kann es auch mal eine Ausnahme geben. Günther Koch ist beim letzten Mal ohne Stimmkreis gewählt worden, obwohl er nur auf Platz 2 war.

> Entsprechend gehen die Parteien auch vor:

Das ist das, was sinnvoll wär. Aber so läuft es nicht (zumindest nicht überall). Insbesondere in Oberbayern sortiert die CSU die Stimmkreiskandidaten nicht nach hinten. In Mittel- und Oberfranken sogar im Gegenteil eher nach vorn (wobei da auch ein gewisses Risiko besteht, dass sie weniger Mandate erzielt, als es Stimmkreise gibt).

Die anderen Parteien sortieren zwar in der Regel die stimmkreislosen Kandidaten nach hinten, platzieren sie aber nicht alphabetisch (mag aber sein, dass sie stattdessen gelost sind, was eh sinnvoller wär). Auch hier gibt es aber Ausnahmen: Die FDP in Mittelfranken hat die Stimmkreiskandidaten ganz nach hinten sortiert. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ihr Spitzenkandidat einen miserablen Stimmkreis gehabt hat und ihm die Konkurrenz vom Leib gehalten werden sollte (mehr als 1 Sitz wär ja eh nicht zu erwarten gewesen).
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Juwie
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Juni 2004 - 13:40 Uhr:   

Ein interessanter Fall ist auch, dass auf der Wahlkreisliste alle Stimmkreiskandidaten aufgeführt werden müssen.

Wenn ich mich recht erinnere, gab es mal den Fall, dass die SPD in Wahlkreis Oberbayern deshalb einen MdL als Stimmkreiskandidaten in Dachau auf die Liste setzen musste, den sie aus verschiedenen Gründen (fraktionsinterne Unverträglichkeit, aber auch "Stimmenwilderei" mit Preisausschreiben bei der vorherigen Landtagswahl) eigentlich nicht mehr aufstellen wollte.

Durch das spezifisch Landtagswahlrecht, bei dem für die nicht direkt gewählten Kandidaten Stimmkreis- und Wahlkreisstimmen zusammengezählt werden, hat das schon eine Auswirkung.
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Juwie
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Juni 2004 - 14:05 Uhr:   

Noch zu den Auswirkungen (hier LTW 1998 in Oberbayern):

CSU:
- Die Staatsministerin für Bundesangelegenheiten Ursula Männle wurde als "Nur-Listenkandidatin" trotz Platz 3 nicht gewählt.
- 8 "Nur-Listenkandidaten" erhielten mehr Stimmen, darunter Jürgen Vocke auf Platz 45, der ist Landesvorsitzender des Bayerischen Jagdverbands - und deshalb bekannt wie ein bunter Hund.

SPD:
- Hier traten alle aussichtsreichen Kandidaten zugleich in einem Stimmkreis an (daher Addition von Wahlkreis- und Stimmkreisstimmen. Die SPD gewann nur zwei Stimmkreise in München).
- Hildegard Kronawitter von Platz 16 auf 2 vorgewählt (Frau des Münchner Ex-Oberbürgermeisters, kandidierte in Erding).
- Rainer Volkmann von 29 auf 15.
- Andererseits: Jürgen Schade nicht gewählt trotz Platz 5 (insgesamt gewann die SPD 19 Mandate!
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Juni 2004 - 14:31 Uhr:   

Allerdings hat Vocke auch nicht viel mehr Stimmen als Männle gehabt (13.054 statt 10.673 bei 1.137.142 Zweitstimmen der CSU Oberbayern insgesamt). Männle ist schon bald nachgerückt (wie auf die Dauer die gesamte Liste einschließlich dem Allerletzten mit 862 Stimmen).

Volkmann hat einen der besten Stimmkreise gehabt. Seine Wahl war praktisch schon vorher sicher, auch wenn er auf der Liste ein bisschen versteckt worden ist. Nach Zweitstimmen hätt er keine Chance gehabt.
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Josef
Veröffentlicht am Montag, 07. Juni 2004 - 11:49 Uhr:   

@c07 (6.6, 12:20)
In meiner "alten Heimat" Schwaben ist es meines Wissens bei der CSU immer noch so, dass hinten die Stimmkreisbewerber (ohne Promis) alphabetisch sortiert stehen. (Ausnahme: Augsburg, die haben "spezielle Plätze", wohl da ein eigener Bezirksverband).
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Mörsberg
Veröffentlicht am Montag, 07. Juni 2004 - 13:03 Uhr:   

Was Bayern anbelangt, so habt Ihr da teilweise einen gewissen Erfahrungsvorsprung. Ich hab noch nie dort gewählt und kann die Details nicht immer richtig einschätzen. Allerdings scheint mir Bayern (Landtag) ein typischer Fall von unzureichender Personalisierung (vulgo teilweise Scheinpersonalisierung) zu sein. Der Systemfehler liegt in den Stimmkreisstimmen, die in die Ermittlung der Listenreihenfolge eingehen. Damit findet Personalisierung in nennenswertem Maße nur bei einer Partei statt. Das führt dann dazu, dass sich die anderen Parteien um die persönlichen Zweitstimmen nicht richtig kümmern, außer in ein paar Sonderfällen wie bei Günther Koch. Vorwerfen sollte man das ihnen aber nicht. Auch klar, dass man durch so ein System kaum neue Fans der Personalisierung gewinnt.

Losen statt Alphabet ist natürlich immer okay.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Juni 2004 - 15:54 Uhr:   

Mörsberg:
> Damit findet Personalisierung in nennenswertem Maße nur bei einer Partei statt.

Das kann man so pauschal nicht sagen. Tatsache ist, dass es nur eine Teilpersonalisierung ist, weil es durch die Stimmkreiskandidaten eine sehr starke implizite Vorsortierung gibt. Generell halt ich das für unproblematisch (die Frage ist halt, ob man es auch will), aber sie ist für den Wähler absolut undurchsichtig, was ich für eine Verletzung der Gleichheit der Wahl halt.

Der Sonderfall bei der CSU (und nur in den Regierungsbezirken, wo sie deutlich mehr als 50% der verteilungsrelevanten Stimmen bekommt) ist nur, dass auch einige Kandidaten ganz ohne Vorsortierung gewählt werden können. Dafür ist aber der Rest nahezu vollständig determiniert, was bei den kleineren Parteien nicht der Fall ist.

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