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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 10:40 Uhr:   

Die Schilderung von Bernhard Nowak in einem anderen Thread hat mich auf diese Idee gebracht:

> Unser Kalkül war: wählen wir grün - wie eigentlich gewollt - könnten wir
> einen Unionskanzler Stoiber als Chef einer großen Koalition bekommen.
> Also wählten wir SPD, damit diese vor der Union ins Ziel ging, in einer
> großen Koalition also die SPD den Kanzler stellen würde.

Alternativstimmen bedeuten, dass die Wähler nicht nur eine einzige Partei ankreuzen können, sondern sie durchnummerieren dürfen. Normalerweise geht die Stimme an die Partei, die die 1 bekommen hat, aber falls sie an der 5%-Hürde scheitert, geht sie an die Partei mit der 2. Wenn die nächste Partei auch keine 5% geschafft hat, wird das analog wiederholt, bis die Stimme vergeben werden kann (oder keine weiteren Nummern mehr vorhanden sind). Primär dient das dazu, dass die Wähler durch die Sperrklausel keinen Totalverlust ihrer Stimme haben.

Man könnte aber auch weiterrechnen, bis nur noch eine einzige Partei übrig ist, und damit einen Gesamtsieger ermitteln, der dann den zuvor nominierten Kanzler stellt. Dadurch, dass er mit derselben Stimme gewählt wird, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass er im Bundestag eine Mehrheit findet (im Gegensatz zu einer normalen Direktwahl). Zumindest könnte er Koalitionsverhandlungen auch auf das Wissen gründen, über welche Parteien die Stimmen gekommen sind, die zu seiner Wahl geführt haben.

Wenn man nicht gleich eine verbindliche Kanzlerwahl will, kann man auch bestimmen, dass nur der Auftrag zur Regierungsbildung zunächst an die so bestimmte Partei geht. Wenn die scheitert, könnte der Auftrag dann an die nächstplatzierte Partei übergehn.

Der Nachteil an der Sache ist, dass Alternativstimmen sehr aufwendig bei der Auszählung sind. Manuell müsste man das in mehreren Stufen machen, zwischen denen jeweils auf das bundesweite Endergebnis gewartet wird, damit klar ist, von welchen Parteien Stimmen übertragen werden müssen.

Die Verknüpfung mit der Kanzlerwahl macht die Alternativstimmgebung übrigens auch für die großen Parteien interessant, ohne dass sie formal bevorzugt werden. Ansonsten müssen sie ja befürchten, dass dadurch ihre Monopolstellung gefährdet wird. Nur für die CSU müsste man wahrscheinlich die Möglichkeit zu parteiübergreifenden Listenverbindungen einführen, weil sie sonst keine Chancen hätte, jemals den Kanzler zu stellen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 11:08 Uhr:   

Da halte ich nicht viel von, denn es wäre möglich, daß der Kanzler einer andersfarbigen Mehrheit gegenübersteht. Wenn also z.B. Schröder Kanzler würde und einer schwarz-gelben Mehrheit gegenüberstünde, wäre das Regieren noch viel komplizierter als es jetzt schon ist.

Für eine Möglichkeit halte ich es aber, eine bestimmte Koalition zu wählen. Das könnte in der Praxis so aussehen: Zunächst werden 500 von 600 Bundestagsabgeorneten ohne Sperrklausel proportional gewählt. Bekommt eine Partei die absolute Stimmenmehrheit, erhält sie 100 Sitze Bonus. Ansonsten findet ein zweiter Wahlgang statt, an dem alle Parteien teilnehmen dürfen, die im 1. Wahlgang mindestens 5% bekommen haben. Die Parteien können hier Listenverbindungen eingehen. Die Partei oder Listenverbindung mit den meisten Stimmen bekommt alle verbleibenden 100 Sitze. Wurden diese von einer Listenverbindung gewonnen, werden die Sitze proportional unter den ihr angehörenden Parteien verteilt.

Im ersten Wahlgang könnten die Wähler weitgehend frei von taktischen Überlegungen wählen und sich im zweiten dann eventuell taktisch umorientieren. Stabile Mehrheiten sind so auch ohne Sperrklausel praktisch garantiert.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 12:15 Uhr:   

Thomas:
> Da halte ich nicht viel von, denn es wäre möglich, daß der Kanzler
> einer andersfarbigen Mehrheit gegenübersteht.

Möglich ist es, aber wahrscheinlich ist es nur dann, wenn es keine klaren Grenzen zwischen den Lagern gibt, und dann macht es auch nichts.

Im konkreten Fall müssten mehr FDP-Wähler die SPD vor der Union einsortieren als Grünen-Wähler die Union vor der SPD, und zudem müsste der Abstand von Union und SPD entsprechend klein sein. Falls das der Fall ist, wird aber meistens auch eine Koalition aus SPD und FDP möglich sein. Dass in Einzelfällen eine große Koalition oder eine Minderheitsregierung notwendig sein kann, ist ja nichts prinzipiell Neues.

> Für eine Möglichkeit halte ich es aber, eine bestimmte Koalition zu wählen.

In deinem Vorschlag ist die Auswahl aber sehr begrenzt. Wenn man eine grundsätzliche Polarisierung auf zwei Seiten erreichen will, ohne zu sehr in die Absichten der Wähler einzugreifen, ist er aber sicher geeignet (jedenfalls besser als Mehrheitswahlsysteme). Allerdings halt ich nicht viel davon, künstliche Polarisierungen an exakt einer Front zu erzwingen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 13:17 Uhr:   

"Möglich ist es, aber wahrscheinlich ist es nur dann, wenn es keine klaren Grenzen zwischen den Lagern gibt, und dann macht es auch nichts."

Nur mal ein Szenario: Nehmen wir mal an, die SPD hätte 2002 zwei Prozentpunkte weniger und die Union oder die FDP zwei mehr bekommen. Dann hätte es eine schwarz-gelbe Mehrheit gegeben, aber Schröder wäre dank PDS-Wählern vermutlich knapp Kanzler geblieben.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 21:52 Uhr:   

Die PDS-Wähler hätten in der Beziehung gar nichts geändert, wenn sie nicht gerade in größerer Zahl PDS - FDP - SPD sortiert hätten. Was bei Schröder als Kanzlerkandidat gelandet wär, wär ansonsten auch im Bundestag an SPD und Grüne gegangen.

Solang nur 4 Parteien über 5% sind, können nur Wähler, die FDP vor SPD und Grünen sowie SPD vor Union sortiert haben, Schröder zum Kanzler ohne rot-grüne Mehrheit machen. Wenn das viele sind, spricht alles für eine rot-gelbe Koalition, und wenn es nicht dafür reicht, ist es ein Wink mit dem Zaunpfahl für eine Ampel. Die ist dann sicher möglich, wenn nicht gerade die Tücken der Rundung bei einem ganz knappen Ergebnis zu einer Mehrheitsumkehr führen (bei so großen Gremien sehr unwahrscheinlich).
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 23. April 2004 - 12:36 Uhr:   

Ich habe mich vielleicht mißverständlich ausgedrückt. Ich denke, man kann sicher davon ausgehen, daß viel mehr FDP-Wähler die SPD vor die CDU gereiht hätten als Grünen-Wähler die CDU vor die SPD. Darauf basierte mein Szenario. Aber in der Tat wäre es ganz knapp geworden.
Eine Ampel wäre hochproblematisch, es wäere sehr fraglich, ob sie überhaupt zustabde käme, und ob sie dann auch halten würde.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 23. April 2004 - 13:42 Uhr:   

Thomas:
> Ich denke, man kann sicher davon ausgehen, daß viel mehr FDP-Wähler die
> SPD vor die CDU gereiht hätten als Grünen-Wähler die CDU vor die SPD.

Ja, wenn die FDP insgesamt nicht viel schwächer als die Grünen ist. Diese Asymmetrie ist aber sicher nicht mehr ganz so groß wie früher.

Im Zweifelsfall ist immer auch eine große Koalition denkbar. Das war ja eigentich mein Ausgangspunkt, dass in so einem Fall nicht unbedingt der größere Partner den Kanzler stellen muss, sondern der, der den stärkeren Rückhalt bei den Wählern insgesamt hat, ohne dass diese zu taktischer Stimmabgabe gezwungen werden.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 08. Mai 2004 - 09:39 Uhr:   

Ich halte C07's Überlegungen mit Alternativstimmen für durchführbar und plausibel. Mir ist diese Möglichkeit ja durch das USA-Wahlchaos in den Sinn gekommen. Man denke nur (und dies kann sich ja bei diesen Wahlen wiederholen) Nader und Buchanan wären 2000 nicht angetreten, weil es eine Alternativstimmenregelung gegeben hätte. In vielen Staaten hätte Gore vor Bush gelegen. Nur eines ist mir an der Sache nicht klar. Die - hier in verschiedenen Threads mehrfach diskutierten - Wahlsysteme STV, Borda etc. wären doch Systeme, die auf dieser Überlegung - Verwendung alternativer Stimmen - beruhten. Eine Einführung eines solchen Systems wäre also zu prüfen, sofern es absolute Mehrheiten tolerieren würde (Borda tut dies, wie Wilko ja einmal ausführte, eben leider nicht). Und wenn schon eine Direktwahl des Bundeskanzlers nicht gewünscht wird (halte ich für falsch, hier habe ich eine früher von mir vertretene Meinung geändert) wäre dieses von C07 vorgeschlagene Modell meines Erachtens durchaus möglich.
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 08. Mai 2004 - 16:17 Uhr:   

Wenn man Alternativstimmen zur Bundeskanzlerwahl nutzt, ist das effektiv IRV, also ein Sonderfall von STV mit Standardstreichungsregel für nur einen einzigen zu vergebenden Sitz. Wer die absolute Mehrheit an Erstpräferenzen hat, ist dabei auf jeden Fall sicherer Sieger.

Im Prinzip ist das wie eine Serie von Stichwahlen, wo jeweils alle bis auf den schwächsten Kandidaten teilnehmen, bis nur noch einer übrig ist, wobei man aber an seine vorherige Stimme gebunden ist, solang der Kandidat noch im Rennen ist. Wer die absolute Mehrheit hat, ist damit unaufholbar. IRV (Instant Run-off Voting) heißt übersetzt auch ungefähr "Wahl mit unmittelbarer Stichwahl".

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