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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 20. April 2004 - 19:06 Uhr:   

Auch wenn wohl nicht damit zu rechnen ist, hab ich nachgeschaut, wen eine Reduzierung der Ländervertreter in der Bundesversammlung (analog zur reduzierten Bundestagsgröße) treffen würde. Die Reduzierung führt zunächst dazu, dass nur Berlin einen Sitz verliert und kein Land einen zusätzlichen bekommt (was bei einer Verteilung nach Hare/Niemeyer keineswegs selbstverständlich ist). Dort hat es einen gemeinsamen Wahlvorschlag aller Fraktionen (nicht aber aller Abgeordneten!) gegeben.

Normalerweise müsste es also einfach möglich sein, die Größe der Delegation nachträglich zu reduzieren und den zuletzt Gewählten zu streichen. Hier wird ja nach d'Hondt gewählt, wo es im Gegensatz zu Hare/Niemeyer eine eindeutige Reihenfolge gibt (was aber bei einer Einheitsliste eigentlich eh eine Selbstverständlichkeit ist). Ob die nachträgliche Neuberechnung überhaupt rechtlich zulässig wär, ist eine andere Frage, um die es mir hier nicht geht.

Das Problem ist aber, dass der gemeinsame Wahlvorschlag gar keine Liste ist. Es sind 4 einzelne, ungeordnete Listen, die jeweils separate Nachrücker haben. Wer gewählt ist und wer Nachrücker ist, ist schon vor der Wahl festgelegt worden (zu Deutsch: Es war gar keine Wahl). Die Frage ist nun, ob das mit dem BPräsWahlG und dem Grundgesetz vereinbar ist.

Insbesondere ist den Abgeordneten gar keine Möglichkeit gegeben worden, alternative Listen vorzuschlagen. Sie hätten nur komplett gegen die Einheitsliste stimmen können, wobei aber schon gut 50% der Abgeordneten 100% der Sitze beschließen hätten können (bei einer normalen Wahl mit einer einzigen Liste würd übrigens schon 1 Stimme reichen). Das grundgesetzlich bestimmte Prinzip einer Verhältniswahl ist damit verletzt.

Nach der Berliner Geschäftsordnung (§ 74 (1)) kann eine kleinere Gruppe von Abgeordneten, die bei einer Verhältniswahl (selbst mit d'Hondt) einen Sitz bekommen würde, nicht mal durch aktiven Wiederspruch eine echte Wahl erzwingen. Selbst eine komplette Partei hätte dieses Recht nicht zwangsläufig, weil 5% der Wählerstimmen in Berlin noch keinen Fraktionsstatus sichern.

Protokoll der Wahl (PDF, 2,2 MB, Seiten 3718 ff und 3758)

Berlin ist offenbar kein Einzelfall. Ich hab es nicht systematisch untersucht, aber zumindest in NRW war das Vorgehen offenbar ganz ähnlich. Jedenfalls hat es auch dort Sublisten einer Einheitsliste gegeben.

Übrigens fällt der überschüssige Sitz bei einer Verteilung nach d'Hondt (was bei einer echten Wahl angewendet werden müsste) auf SPD und PDS, zwischen denen gelost werden müsste. Bei einem gemeinsamen Wahlvorschlag bestimmt die GO (in § 9), dass die Fraktionen gemäß ihrer Stärke berücksichtigt werden müssen. Dieses Kriterium optimiert Hare/Niemeyer, und danach würde eindeutig Brigitte Grunert von der SPD auf dem überzähligen Sitz sitzen (falls Peter Strieder nicht ausscheidet).
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 20. April 2004 - 22:19 Uhr:   

Ich habe irgendwo gehört, dass durch den Rücktritt von Strieder dieser auch sein Mandat in der Bundesversammlung verliert. Wenn dann kein Nachrücker bestimmt würde, wäre die Delegiertenanzahl von Bundestag und Bundesrat nach dem Tod der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten wieder gleich und die Bundesversammlung bestünde dann aus 1204 statt 1205 Abgeordneten. Ist dies korrekt? Oder gibt es bereits einen Ersatzkandidaten für Strieder in Berlin?
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 21. April 2004 - 11:57 Uhr:   

@Bernhard
Ersatzkandidaten sind von den Landtagen mitgewählt worden. Für Strieder würde also irgendein SPD-Vertreter nachrücken.
Ich glaube auch nicht, daß die Wahl so knapp ausgeht, daß ein oder zwei Stimmen entscheidend sind. Ich tippe, Köhler wird im zweiten Wahlgang gewählt.
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kai
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 09:56 Uhr:   

Die Geschäftsordnungen der Landtage lassen in der Regel für Ausschusswahlen die Einigung auf eine gemeinsame Liste vor, die die Wahl nach d'Hondt bzw. Hare-Niemeyer simuliert. Hierauf nimmt offenbar § 3 Abs. 1 Satz 1 BPräsWG

"Die Sitze werden, wenn mehrere Vorschlagslisten vorliegen, den Listen nach der Zahl der ihnen zugefallenen Stimmen im Höchstzahlverfahren d’Hondt zugeteilt."

Bezug. Daher sind auch verschiedene Unterlisten unzweifelhaft zulässig.

In dem Falle, dass tatsächlich eine repräsentationsfähige Gruppe von Abgeordneten unter Verweis auf § 74 Abs. 1 des Berliner Geschäftsordnung gehindert würde, einen eigenen Wahlvorschlag zu unterbreiten, wäre die Wahl wohl in der Tat als verfassungswidrig zu beurteilen. Ein solcher Fall des Missbrauchs der Geschäftsordnung liegt aber hier ja erkennbar nicht vor.

Für das Ausscheiden Strieders (sofern er sein Mandat zurückgegeben hat, wovon ich ausgehe - einen automatisches Ausscheiden aus der Bundesversammlung gibt es jedenfalls nicht) ergibt sich das weitere Verfahren aus § 4 Abs. 5 BPräsWG:

"Nimmt ein Gewählter die Wahl nicht an oder scheidet ein Mitglied aus, so tritt der nächste nicht gewählte Bewerber der gleichen Vorschlagsliste ein. Ist die Vorschlagsliste erschöpft, so geht der Sitz auf die Liste über, auf die die nächste Höchstzahl entfällt. Die Feststellung, wer als Listennachfolger eintritt, trifft der Präsident des Landtages. Absatz 4 gilt entsprechend."

Selbstverständlich reduziert sich auch durch den Tod der Hamburger SPD-Abgeordneten nicht die Zahl der Ländervertreter, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BPräsWG

"Die Bundesregierung stellt rechtzeitig fest, wieviel Mitglieder die einzelnen Landtage zur Bundesversammlung zu wählen haben. Dabei sind die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages im
Zeitpunkt der Beschlußfassung der Bundesregierung und das Verhältnis der letzten amtlichen Bevölkerungszahlen
der Länder zugrunde zu legen."

in Verbindung mit der Verpflichtung der Landtage zur unverzüglichen Wahl ihrer Delegierten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BPräsWG) ergibt.

Auf den Fall, dass der Bundestag zwischen der Wahl der Ländervertreter und dem Zusammentritt der Bundesversammlung verkleinert wird, ist das BPräsWG, aber auch Art. 54 GG offensichtlich nicht vorbereitet, da bis zum Urteil des BVerfG zu den Überhangmandaten ja ein solcher Fall so gut wie gar nicht eintreten konnte. (Lediglich durch Tod oder Ausscheidens eines Abgeordneten unmittelbar vor oder bei Zusammentritt der Bundesversammlung, bevor der Listennachfolger berufen werden konnte oder in dem Falle, dass eine notwendige Nachwahl wegen Todes oder Ausscheidens eines direkt gewählten nicht an eine Landesliste angeschlossenen Abgeordneten noch nicht erfolgt war.) Hierbei handelt es sich jedoch um eine systembedingte nicht anders zu verhindernde marginale Durchbrechung, die von Art. 54 in jedem Fall gedeckt sein dürfte.

Das heißt, dass tatsächlich die gesetzliche Mitgliederzahl der Bundesversammlung 1205 ist und es bei 24 Berliner Delegierten verbleibt.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 10:39 Uhr:   

kai:
> In dem Falle, dass tatsächlich eine repräsentationsfähige Gruppe von
> Abgeordneten unter Verweis auf § 74 Abs. 1 des Berliner Geschäftsordnung
> gehindert würde, einen eigenen Wahlvorschlag zu unterbreiten,
> wäre die Wahl wohl in der Tat als verfassungswidrig zu beurteilen.

Die Frage ist, ob sie direkt gehindert werden muss, oder ob nicht auch schon eine Behinderung reicht, indem sie erst mal klagen muss anstatt förmlich zur Abgabe von Wahlvorschlägen aufgefordert zu werden. Ich kann zwar nicht ausschließen, dass Letzteres tatsächlich in einer früheren Sitzung passiert ist, aber das Protokoll spricht mehr dafür, dass das nur auf rein informeller Ebene zwischen den Fraktionen passiert ist (und der Fraktionslose wie auch die Abgeordneten als einzelne Mandatsträger damit ausgeschlossen waren).

> "Nimmt ein Gewählter die Wahl nicht an oder scheidet ein Mitglied
> aus, so tritt der nächste nicht gewählte Bewerber der gleichen
> Vorschlagsliste ein."

Allerdings gibt es den "nächsten Bewerber" eben nicht, weil die Vorschlagsliste nur die ungeordneten Unterlisten enthält (übrigens 5 und nicht 4, wie ich oben geschrieben hab).

Dass das BPräsWG bezüglich der Zahl der Ländervertreter eindeutig ist, ist auch meine Ansicht. Es hat sich aber auch früher schon die gesetzliche (und nicht nur die tatsächliche) Mitgliederzahl des Bundestags verringern können, nämlich wenn eine Liste erschöpft ist oder eine Partei verboten wird.
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Kai
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. April 2004 - 11:16 Uhr:   

@c07:

Ich habe mir gerade § 74 GO AbgH noch einmal angeschaut. Einschlägig ist hier selbstverständlich nicht Abs. 1, sondern Abs. 3 in Verbindung mit Art. 54 Abs. 3 GG und § 4 Abs. 3 Satz 1 BPräsWG. Denn auch § 74 Abs. 1 GO AbgH beeinträchtigt nicht das Recht, Voschlagslisten einzureichen, sondern betrifft lediglich die Abstimmung hierüber.

Die Ländern, in denen eine einvernehmliche Wahl stattfindet, gliedern ihre Listen und bestimmen bestimmte Ersatzbewerber als Nachfolger für bestimmte Mitglieder der Bundesversammlung. Dieses Verfahren ist jedenfalls mit der ratio legis des § 3 Abs. 1 Satz 1 BPräsWG vereinbar.

Die Durchbrechung der absoluten Zahlengleichheit nach Art. 54 Abs. 3 GG ist m.E. auch deswegen verfassungskonform, weil das Wahlverfahren der Delegierten gemäß Abs. 7 durch Bundesgesetz geregelt wird und Abs. 3 hinsichtlich der Delegiertenzahl spätestens auf den Zeitpunkt der Wahl der Delegierten durch die Länder abstellen muss, was aber nur dann sinnvoll sein kann, wenn ein einheitlicher Termin für alle Länder gilt, und das kann denknotwendig nur entweder der Termin der Bekanntmachung oder aber ein einheitlicher Wahltag für alle Landtage sein.

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