Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

1-25

Wahlrecht.de Forum » Familien-, Jugend- und Ausländerwahlrecht » Frauenquote » 1-25 « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Mai 2004 - 17:09 Uhr:   

Italien hat offenbar zu den Wahlen des EU-Parlaments eine Frauenquote eingeführt (und ebenso eine Männerquote), wonach mindestens 1/3 der Kandidaten weiblich bzw. männlich sein müssen. Momentan sind 91% der Abgeordneten männlich.

Mein Italienisch ist nur bruchstückhaft, drum kann ich die genauen Bedingungen nicht aus dem Gesetz (Artikel 3) ermitteln. Wenn ich es richtig versteh, ist es nur eine Soll-Bestimmung, deren Verletzung mit Abzügen bei der Wahlkampfkostenerstattung bestraft wird. Es scheint auf die nächsten 2 Europawahlen befristet zu sein.

Die aktuellen Listen (PDF, 250 KB) erfüllen die Quoten überwiegend knapp. Unter dem Soll sind (von 25 Listen): AP-UDEUR 24%, UDC 26%, PRII 26%, SVP 30%, Fiamma Tric. 30%, Paese Nuovo 32%, Lega Nord 32%, P.Pens. 32%, Patto Segni 32%. Nennenswert darüber sind nur: Fed. Verdi 42%, Lista Bonino 47%, Verdi-Verdi 50%. (Die Angaben sind auf ganz Italien gemittelt.)

Übrigens halt ich das finanzielle Druckmittel für eine nette Idee. Damit könnte man auch elegant das Problem lösen, dass Parteien u.U. zu kurze Listen erstellen, wenn diese offen sind. In Italien scheint das allerdings kein Problem zu sein (oder es ist schon derartig gelöst). Die Listen sind selbst bei den meisten Außenseitern sehr lang, wobei es allerdings (wenn ich richtig informiert bin) Strohmänner (bzw. -frauen) geben kann, weil man die Kandidaten nicht ankreuzen kann, sondern ihre Namen handschriftich eintragen muss.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 11:23 Uhr:   

In Belgien ist so etwas letztes Jahr auch ins Wahlgesetz eingefügt worden. Dort darf der Unterschied zwischen der Anzahl männlicher und weiblicher Kandidaten höchstens eins betragen. Unter den ersten beiden Bewerbern muß zukünftig eine Frau und ein Mann sein.

Ich halte von solchen Bestimmungen gar nichts. Warum soll das Geschlecht so eine große Rolle spielen? Zudem ändert so eine Bestimmung gar nichts an angeblicher oder tatsächlicher Benachteiligung von Frauen.
Ein Frauenanteil von 50% auf der Liste heißt noch lange nicht, daß auch nur annähernd 50% Frauen ins Parlament gewählt werden.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 11:40 Uhr:   

Da kann ich mich Thomas nur anschließen: Solche Bestimmungen sind einfach Unsinn und undemokratisch.
Wenn die Wählerschaft (die ja bekanntlich mehrheitlich aus Frauen besteht) irgendwelche Präferenzen zum Geschlecht ihrer Repräsentanten hat, dann ist das legitim.

Merkwürdig ist auch, daß genau die Leute, die solche Bestimmungen fordern, bei anderer Gelegenheit das Gegenteil erzählen.
Bei der Diskussion um die Rentenbeiträge (bei denen Frauen wegen höherer Lebenserwartung mehr zahlen müßten) wird dann plötzlich gesagt, es wäre völlig willkürlich, daß die Versicherungen überhaupt nach Geschlechtern unterscheiden würden ...

Interessant auch, daß bei einem solchen Gesetz in Deutschland die feministische Partei (die natürlich ausschließlich Frauen aufstellt) Probleme bekäme ...
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 11:56 Uhr:   

Ralf:
> Wenn die Wählerschaft (die ja bekanntlich mehrheitlich aus Frauen
> besteht) irgendwelche Präferenzen zum Geschlecht ihrer Repräsentanten
> hat, dann ist das legitim.

Eben. Falls sie solche Präferenzen hat oder nicht hat, nützt es ihr nichts, wenn es keine entsprechenden Kandidaten gibt. Ob sie gewählt werden, ist wieder eine ganz andere Frage.

Allerdings muss diese Auswahl nicht unbedingt innerhalb der Parteien bestehen, sondern könnte auch im Wettbewerb der Parteien untereinander gelöst werden, woran es in Italien ja eigentlich nicht mangelt.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 12:33 Uhr:   

@c07:
> Falls sie solche Präferenzen hat oder nicht hat, nützt es ihr
> nichts, wenn es keine entsprechenden Kandidaten gibt.
Da gilt immer das demokratische Grundprinzip: Wenn man unzufrieden mit dem Angebot ist, muß man es selber besser machen.

Insofern halte ich die Frauenpartei (die bei uns im Kommunalparlament übrigens sehr qualifiziert mitarbeitet) für eine sehr vernünftige Reaktion.

Wenn nun aber die politische Richtung X nur männliche Landwirte über 60 als Kandidaten aufstellen will, ist das ihr gutes Recht.
Und wenn die Wähler mit männlich oder Landwirt oder zu alt Probleme haben, müssen sie eine anderen Partei wählen oder selber kandidieren.
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Freitag, 28. Mai 2004 - 16:37 Uhr:   

Ralf:
> Da gilt immer das demokratische Grundprinzip: Wenn man unzufrieden
> mit dem Angebot ist, muß man es selber besser machen.

So einfach ist es nicht. Man ist immer auf die vorhandenen Strukturen angewiesen, und es ist völlig legitim, diese ändern zu wollen. Offenbar war ja in Italien das vorhandene Angebot unzufrieden mit sich selber.

Abgesehen davon ist doch die Kandidatenaufstellung in Deutschland relativ undemokratisch, weil eine Minderheit immer auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen ist. Eigentlich wär die Kandidatenaufstellung ein wirklich sinnvoller Anwendungsfall für STV.

Die Alternative einer Parteigründung wird in Deutschland durch die Sperrklausel in ihrer heutigen Form praktisch nutzlos gemacht.
 Link zu diesem Beitrag

Mörsberg
Veröffentlicht am Samstag, 29. Mai 2004 - 14:07 Uhr:   

Solange eine solche Quotierungsregel durch eine echte Präferenzstimmgebung (also nicht so ein Kirmes wie in den Niederlanden oder Österreich) in die eine oder andere Richtung korrigiert werden kann, halte ich sie für unschädlich. In Irland scheinen übrigens unter den Unabhängigen und kleineren Parteien Frauen bessere Wahlchancen zu haben - weil die Männer ja schon von FF und FG versorgt werden und ein gewichtiger Teil der Wähler hier auf Ausgewogenheit zu achten scheint.
Bei mehr oder weniger starren Listen halte ich eine verpflichtende Quotierung wie c07 allerdings wirklich nicht für gut, weil dadurch den Parteien ein möglicher Vorteil genommen wird, die schon immer auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet haben.
Bleibt für mich die Frage, was unter solchen Bedingungen eigentlich "Rosa Listen" machen sollten (ich erinnere mich an eine Klausel aus dem Frauenstatut der grünen Parteisatzung, die die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik von den Quotierungsbestimmungen ausnimmt).
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Samstag, 29. Mai 2004 - 19:16 Uhr:   

Die Münchner Rosa Liste hat auf ihrer Liste strenges Reißverschlussprinzip, nur dass die Männer die ungeraden Plätze haben. Solang d'Hondt gilt, hat sie aber eh kaum Chancen auf einen zweiten Sitz. Die Listenverbindung dient eigentlich auch nur der Reststimmenverwertung zugunsten der Grünen (weil innerhalb der Listenverbindung auch wieder mit d'Hondt verteilt wird)

Die Diskussion zu STV für die Kandidatenaufstellung ist übrigens in einen anderen Thread gewandert.
 Link zu diesem Beitrag

Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Juni 2004 - 12:53 Uhr:   

Auch Frankreich hat seine Quotenvorschrift, die ist so ähnlich wie in Belgien. Vorgschrieben ist eine Reißverschlussliste, wobei es offen ist, welches Geschlecht anfängt. Die Listen sind ihrerseits völlig starr, womit ein Umweg über Personalisierungen nicht gegeben ist. Durch die Einteilung in Mehrpersonenwahlkreise wird diese Regelung aber erst effektiv, wenn eine Partei in mehreren Wahkreisen mit mehr als einem Mandat rechnen kann. Folglich werden PS und UMP quotiert nach Strasbourg ziehen, die UDF nicht, beim FN gibts zwei oder drei Alibifrauen und bei den Grünen wärs so oder so einigermaßen hingekommen. Die anderen müssen erstmal sehen, dass sie überhaupt reinkommen.
Ich finde solche Beziehungen zwischen Intention, Regelung und voraussichtlichem Resultat typisch für die französische Politik.
 Link zu diesem Beitrag

Martin
Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2004 - 21:58 Uhr:   

Folgende dpa-Meldung veröffentlichte "Das Parlament" Nr. 21/22 vom 17. Mai 2004:

Spanien plant Geschlechterquoten für alle Wahllisten

Die Hälfte der Abgeordneten in allen spanischen Parlamenten sollen nach dem Willen der neuen Regierung von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero künftig Frauen sein. Vizeregierungschefin Maria Teresa Fernandez de la Vega stellte in der vergangenen Woche in Madrid die Pläne für eine Reform der Wahlgesetzgebung vor. Danach sollen die Parteien dazu verpflichtet werden, bei allen Wahlen ihre Kandidatenlisten jeweils zur Hälfte mit Frauen und Männern zu besetzen. (...)

Ende der Meldung.

Damit dürften wir in Deutschland, wenn das so weiter geht, bald die letzten ohne Quote sein.
 Link zu diesem Beitrag

Martin
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 11:54 Uhr:   

Ich habe mir in diesem Zusammenhang einmal etwas genauer angeschaut, welche Auswirkungen das Geschlecht der Kandiadaten auf die tatsächliche Wahlentscheidung am Beispiel der Stuttgarter Kommunalwahlen hatte.
Die detaillierte Auswertung der dortigen Ergebnisse ergab, dass die Wähler wohl tatsächlich eher geneigt sind, Frauen ihre Stimme zu geben. Tatsächlich konnten Frauen sei der Wahl 1994 signifikant in Relation zu ihrer Listenposition "hochrücken" (auch wenn sich dieser Effekt 1999 wieder etwas abschwächte), während sich die Männer im Schnitt verschlechterten.
Interessanterweise hatte das 1994 aber noch keine größeren Auswirkungen auf die tatsächliche Präsenz von Frauen im kommunalen Parlament. Erst 1999, als der Frauenanteil auf den Listen sogar rückläufig war, konnte sich der Anteil GEWÄHLTER Frauen deutlich verbessern. Verursacht wurde diese Entwicklung dadurch, dass 1999 erstmals auch bei CDU und FDP/DVP verstärkt Frauen auf vordere Listenplätzen gesetzt wurden.

Zumindest für Stuttgart lassen sich daher folgende Thesen aufstellen:

1. Die Wähler würden sich durchaus einen höheren Anteil von Frauen in den Parlamenten wünschen und geben weiblichen Bewerbern deshalb auf offenen Listen überproportional Stimmen.

2. Für den tatsächlichen Erfolg von Frauen ist weniger die Gesamtzahl der weiblichen Kandidaten als vielmehr die Platzierung von Frauen auf aussichtsreichen Listenplätzen entscheidend.

Die Auswertungen in Stuttgart zeigen übrigens auch, dass es einen noch viel größeren Einflussfaktor gibt, der intersanterweise kaum diskutiert wird, nämlich die Berufsangaben der Bewerber.
Geradezu wahnsinnig gute Platzveränderungen konten folgende Berufsgruppen erreichen: Theologische Berufe, Architekten, Weinbauberufe, Ärzte/Zahnärzte.
Schlechte Karten, nämlich deutliche Platzverschlechterungen, hatten im Durchschnitt dagegen die Angehörigen von Verwaltungsberufen, Geschäftsführer und selbstständige Kaufleute.
Da können einem natürlich ernsthafteste Zweifel kommen, ob die Angabe des Berufs wirklich so sinnvoll ist. Denn ob Leute, die mit Verwaltung und Wirtschaft zu tun haben, wirklich schlechter für ein Kommunalparlament geeignet sind als Pastoren und Weinbauern, ließe sich zumindest hinterfragen.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 13:04 Uhr:   

@Martin:
> Die Wähler würden sich durchaus einen höheren Anteil von Frauen in
> den Parlamenten wünschen
Da wäre jetzt die entscheidende Frage: Wie hoch war dieser Anteil bisher?

Wenn der Anteil bisher sehr niedrig war, wird dieser Wählerwunsch bestimmt da sein.
Ob aber bei einem hohen Frauenanteil (z. B. 40%) noch der Wunsch da wäre, auf die 50% zu steigern - das ist eher fraglich.


Ich kann da nur sehr subjektive Erfahrungen von Parteitagen/Mitgliederversammlungen beisteuern. Da kriegt man nämlich ganz gut die Stimmung mit, wenn schon eine gewisse Anzahl von Kandidaten gewählt ist (in einen Vorstand oder für eine Listenaufstellung) und dann die nächste Position mit Einzelkandidaturen zur Wahl ansteht.

Auch wenn es keine offiziellen Quoten gibt, haben die Delegierten/Mitglieder eigentlich immer den Wunsch, insgesamt ein ausgewogenes Team zu wählen. D.h. im Hinterkopf wird registriert, wie die Regionen, Geschlechter, Berufe, Flügel etc. bisher erfolgreich waren und ob man in irgendeinem Punkt gegensteuern sollte.

Meine Schätzung ist, daß bis zu einem Anteil von etwa einem Drittel eine Unterrepräsentanz empfunden wird, da bekommen Kandidatinnen einen deutlichen Bonus (von Männern und Frauen gleichermaßen).
Wenn schon drei Männer gewählt wurden, und dann kandidiert eine Frau - dann muß ein männlicher Gegenkandidat schon deutlich besser sein, um sie zu schlagen. Es ist auch überhaupt nicht nötig, daß die Kandidatin sich da speziell als Frauenvertrerin präsentiert bzw. auf das Mißverhältnis hinweist - der Bonus läuft automatisch.

Wenn das Verhältnis aber halbwegs in der Nähe zu 50:50 ist (bis etwa 40:60), dann interessiert das Thema überhaupt nicht mehr.
Wenn bisher 5 Männer und 4 Frauen gewählt wurden, dann gibt es überhaupt keinen Bonus, und der explizite Verweis auf "mehr Frauen" einer Kandidatin wird ihr eher negativ angerechnet.
 Link zu diesem Beitrag

Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 14:11 Uhr:   

> Geradezu wahnsinnig gute Platzveränderungen konten folgende
> Berufsgruppen erreichen: Theologische Berufe, Architekten,
> Weinbauberufe, Ärzte/Zahnärzte.
Die Weinbauberufe sind eben für die lokale Identität prägend. Bei uns werden Fischereigroßhändler und dergleichen stets aus dem Stand gewählt. Aber wo sind die Rechtsanwälte? Ist da eine Übersättigung erreicht?
> deutliche Platzverschlechterungen, hatten im Durchschnitt dagegen
> die Angehörigen von Verwaltungsberufen, Geschäftsführer und
> selbstständige Kaufleute.
Das hat oft auch viel mit Überangebot zu tun (und läuft damit ähnlich wie die Austarierung des Geschlechterverhältnisses). Eigentlich sind Geschäftsführer und Kaufleute ja keine schlecht angesehenen Berufsgruppen. Doch was ist mit den Lehrern? Die zieren doch sonst auch immer das Ende der Charts.

> Da können einem natürlich ernsthafteste Zweifel kommen, ob die
> Angabe des Berufs wirklich so sinnvoll ist.
Viele der nach oben gewählten Berufe führen zunächst zu einem erhöhten Bekanntheitsgrad der Person. Für andere Wähler ist der Beruf wirklich ein wichtiges Kriterium, das ich auch nicht für ein illegitimes halte. Problematisch wirds erst, wenn es als sekundäres Kriterium herangezogen wird, sobald einem sonst nichts mehr einfällt. Es fällt bei einem 40-köpfigen Gemeinderat vielen schwer, gleich vierzehn geeignete Kandidaten auszusuchen. Das eigentliche Problem ist da das Häufelmaximum.
Mich würde interessieren, ob man einen relativen Nachteil der Bewerber mit wichtigen ehrenamtlichen Funktionen (zum Beispiel die Vorsitzenden des Gesamtelternbeirates und so) ausmachen kann, weil diese Angabe nicht auf dem Stimmzettel erscheint.
 Link zu diesem Beitrag

Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 15:42 Uhr:   

@Ralf Arnemann:
"Auch wenn es keine offiziellen Quoten gibt, haben die Delegierten/Mitglieder eigentlich immer den Wunsch, insgesamt ein ausgewogenes Team zu wählen."
Dann stellt sich bei mir allerdings schon die Frage, warum gerade bei bürgerlichen Parteien die Frauen derart unterrepräsentiert sind auf den aussichtsreichen Listenplätzen. Wahrscheinlich fällt den (männlichen) Delegierten immer erst dann das Ungleichgewicht auf, wenn die guten Plätze schon durch sind ;-)

@Mörsberg schrieb:
"Das hat oft auch viel mit Überangebot zu tun (und läuft damit ähnlich wie die Austarierung des Geschlechterverhältnisses)."

Die Fallzahlen sind durchaus vergleichbar. Sowohl unten wie oben gibt es Berufe mit relativ hoher (z.B. Ärzte - postive Veränderungen, Betriebswirte - negativ) und eher niedriger Bewerber-Anzahl (z.B. Architekten - positiv, Geschäftsführer - negativ). Einzig die kaufmännischen Berufe fallen in der Höhe der Fallzahlen aus dem Rahmen. Gleichzeitig dürfte sich aber auch ein Großteil der Wählerschaft mit diesem Berufsbild indentifizieren, da dieses inzwischen eine "Allerwelts-Berufssammelgruppe" ist. Ich fürchte schon, dass hier das sinkende Prestige von Beamten und unternehmerisch Tätigen durchscheint, denen allgemein eine eher unsoziale Neigung unterstellt wird.

@Mörsberg schrieb:
"Eigentlich sind Geschäftsführer und Kaufleute ja keine schlecht angesehenen Berufsgruppen."
In der Allensbacher Berufsprestige-Skala liegen sie zwar noch deutlich besser als etwa Offiziere oder Gewerkschaftsführer, bauen aber stetig ab. Und gegenüber Berufsgruppen wie Ärzten oder Pfarrern/Geistlichen liegen sie weit abgeschlagen.

Thomas Schwarz vom Statistischen Amt der Landeshauptstadt Stuttgart zieht zumindest in einer Studie von 2001 eindeutig den Schluss, dass der Wahlerfolg an den "richtigen" Beruf gekoppelt ist. Neben dem Wohnort und dem Geschlecht hat der Wähler ja auch keinerlei andere Entscheidungsgrundlagen, wenn ihm die Bewerber unbekannt sind. Und im Zweifel werden dann scheinbar Leute mit "sozialen" Berufen überproportional gewählt und weniger solche mit Verwaltungs- und Wirtschaftsberufen.
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 15:50 Uhr:   

Mörsberg:
> Viele der nach oben gewählten Berufe führen zunächst zu einem
> erhöhten Bekanntheitsgrad der Person.

Das allein erklärt tatsächlich schon einiges.

> Problematisch wirds erst, wenn es als sekundäres Kriterium
> herangezogen wird, sobald einem sonst nichts mehr einfällt.

Das ist doch in größeren Städten die Regel, wo mehr Personen gewählt werden müssen als bekannt sind.

In München werden Selbstständige, besonders Handwerker, sehr oft gehäufelt. Ich hab das nicht systematisch untersucht, aber außerdem ist mir aufgefallen, dass ausländisch klingende Namen sehr förderlich sind, besonders griechische.

> Mich würde interessieren, ob man einen relativen Nachteil der
> Bewerber mit wichtigen ehrenamtlichen Funktionen (zum Beispiel die
> Vorsitzenden des Gesamtelternbeirates und so) ausmachen kann,
> weil diese Angabe nicht auf dem Stimmzettel erscheint.

Die Wichtigsten sind auch so bekannt. Aber generell ist es sicher ein Nachteil, der u.U. behebenswert wär. Mir ist auch im Hinterkopf, dass es schon mal irgendwo eine Klage in diese Richtung gegeben hat, aber bei einer schnellen Suche danach hab ich nur das Kuriosum gefunden, dass bei der Bürgermeisterwahl in Diez einige Stimmzettel im Umlauf waren, auf denen der ehrenamtlicher Bürgermeister als Bürgermeister verzeichnet war (siehe hier und hier sowie das Ergebnis (die fehlerhaften Stimmzettel waren also nicht wahlentscheidend)).
 Link zu diesem Beitrag

Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 16:03 Uhr:   

@c07 schrieb:
"In München werden Selbstständige, besonders Handwerker, sehr oft gehäufelt."

Die Stuttgarter Zahlen sagen das dagegen nicht aus. Handwerker und übrigens auch Rechtsanwälte weisen eine beinahe ausgelichene Bilanz auf. Auch die Bekanntheit und z.B. der Kontakt mit vielen Leuten alleine scheint nicht auszureichen, sonst müssten etwa auch die Apotheker einen Vorteil haben. Es muss wohl noch eine zusätzliche "positive Note" dazu kommen, die beispielsweise die Gastwirte haben. Wäre sicherlich auch interessant zu erfahren, wieviel die "siegreichen" Wirte im Gegensatz zu ihren "erfolglosen" Kollegen haben anschreiben lassen ;-)
 Link zu diesem Beitrag

alberto
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 17:07 Uhr:   

smile
„Aussichtreiche“ Listenplätze

Quote:

Von Martin Jurgeit am Mittwoch, den 30. Juni 2004 - 15:42 Uhr: @Ralf Arnemann: "Auch wenn es keine offiziellen Quoten gibt, haben die Delegierten/Mitglieder eigentlich immer den Wunsch,
insgesamt ein ausgewogenes Team zu wählen." Dann stellt sich bei mir allerdings schon die Frage, warum gerade bei bürgerlichen Parteien die Frauen derart unterrepräsentiert sind auf den aussichtsreichen
Listenplätzen.


 ersetzen immer weniger die ehrliche Kandidatur. Wichtiger ist die Ödiequote nach Artikel 137 GG

WahlRechtReform
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 17:11 Uhr:   

@Martin:
> Dann stellt sich bei mir allerdings schon die Frage, warum gerade
> bei bürgerlichen Parteien die Frauen derart unterrepräsentiert sind
> auf den aussichtsreichen Listenplätzen.
Bei ALLEN Parteien (also nicht nur den bürgerlichen) gibt es deutlich mehr Männer als Frauen in der Mitgliedschaft, entsprechend höher ist das Interesse an politischer Tätigkeit.
Nur bei den bürgerlichen Parteien kann man dagegen beobachten, wie sich das im Wahlverhalten auswirkt - bei SPD und Grünen greift ja schon bei der Kandidatur die Satzungsquote, da treten Männer und Frauen selten bzw. nie gegeneinander an.

> Neben dem Wohnort und dem Geschlecht hat der Wähler ja auch
> keinerlei andere Entscheidungsgrundlagen, wenn ihm die Bewerber
> unbekannt sind.
Wird das Geburtsdatum, d.h. das Alter, nicht angegeben?

Ansonsten ist das mit den Berufen interessant.
Viele Kandidaten haben ja durchaus eine gewisse Auswahl, mit welcher Bezeichnung sie sich präsentieren.
Ein "Geschäftsführer" könnte auch "Jurist" oder "Physiker" oder was auch immer sein, ähnlich könnten sich auch andere Berufe mit ihrer Ausbildung tarnen. Wenn ich auf einem Wahlzettel z. B. "Frührentner" lese, das halte ich für nicht sehr schlau.

> Ich fürchte schon, dass hier das sinkende Prestige von Beamten und
> unternehmerisch Tätigen durchscheint, denen allgemein eine eher
> unsoziale Neigung unterstellt wird.
Die Vorurteile gegen Beamte sind ja bekannt.
Gegen unternehmerische Tätigkeit als solche wird es vielleicht nicht wirklich Vorbehalte geben, Ärzte, Gastwirte oder Architekten würden ja auch in diese Schublade passen.

Ich vermute eher eine Aversion gegen Leute, die den Chef rauskehren, d.h. sich "Geschäftsführer", "Abteilungsleiter", "Projektleiter" oder "Unternehmensberater" nennen.
 Link zu diesem Beitrag

Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 17:33 Uhr:   

@Ralf Arnemann:
"Bei ALLEN Parteien (also nicht nur den bürgerlichen) gibt es deutlich mehr Männer als Frauen in der Mitgliedschaft (...)"

Das hat aber nichts mit der sinnvollen Aufstellung der Kandidaten durch die Parteien zu tun, da sich unter den Wählern ein im Großen und Ganzen ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen einstellt. Und dass es unter diesen Bedingungen auch sehr sinnvoll wäre, ein nahezu nach Geschlechtern ausgeglichenes Bewerberfeld - gerade auf den vorderen Plätzen - ins Rennen zu schicken, zeigt ja etwa das Beispiel Stuttgart. Im Grundsatz müsste das auch den zumeist männlichen Delegierten auf Parteitagen klar sein. Trotzdem lässt sich die drastische Unterrepräsentierung der Frauen scheinbar nur durch satzungsrechtliche Vorgaben in den Parteien beheben.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 18:06 Uhr:   

@co7

"Die Alternative einer Parteigründung wird in Deutschland durch die Sperrklausel in ihrer heutigen Form praktisch nutzlos gemacht."
Der Erfolg der Grünen, trotz Sperrklausel sich etabliert zu haben wiederlegt diese These. Heute gibt es aber offensichtlich keine andere Partei die dazu in der Lage ist dauerhaft für sich eine "Nachfrage" über 5% zu generieren, wenngleich immer wieder neue Parteien kurzzeitig Erfolge verbuchen (z.B. Schill 2001 in Hamburg). Aber offensichtlich besteht kein dauerhafter Bedarf und/oder/bzw. können die Anbieter diesen nicht ansprechen.

Zur Frauenquote: sie ist aus meiner Sicht undemokratisch. Es sollte eine freie Auswahl zwischen den Kandiaten geben. Nach Geschlechtern zu diskriminieren und zwar egal ob es eine sogenannte "postitive" Diskriminierung oder "negative" Diskriminierung ist aus meiner Sicht gleichgültig ist.
Diese Frage stellte sich ja auch bei Beförderungen im öffentlichen Dienst: hier gab es in Hamburg die Regel, dass bei gleicher Qualifikation immer die Frau zu bevorzugen ist. Dies hat der Europäische Gerichtshof aus meiner Sicht absolut zurecht verworfen. Hier werden männliche Mitarbeiter aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert.
Solange Frauen auch nur eine Minderheit in der Parteimitgiedschaft kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass sie vollkommen überproportional als Kanidaten aufgestellt werden.
Eine Regelung die alle Parteien zwänge 50% Frauen als Kandidaten aufzustellen wäre äußerst undemokratisch da es weibliche Bewerberinnen um eine Kandidatur deutlich bevorzugen würde gegenüber männlichen Bewerbern.
Das andere europäische Länder derartigen Schwachsinn fabrizieren kann kein Grund sein das nachzumachen. Das ist genauso unsinnig wie eine Wahlpflicht. Das Mutterland der Demokratie England kennt auch nicht solche Regelungen. Und anders als die Quotenstaaten hatte Großbritannien immerhin schon einmal einen weiblichen Premierminister. Es ist schon eine Ironie, dass in Deutschland die Parteien die für die Quote stehen 2006 alles daransetzen werden das ein Mann (Schröer) Bundeskanzler bleibt und eine Frau (Merkel) es nicht wird. Es gibt doch andere Kriterien für die Wahlentscheidung.
Das Geschlecht dürfte bei kaum einen Wähler eine Rolle spielen.
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 18:55 Uhr:   

Marc:
> Der Erfolg der Grünen, trotz Sperrklausel sich etabliert zu haben
> wiederlegt diese These.

Der Erfolg der Grünen hat sich u.a. aus einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Parlamentarismus an sich gespeist. Deshalb waren viele Leute bereit, ihre demokratischen Rechte zu veräußern. Aus denselben Gründen können auch Populisten zeitweise erfolgreich sein, und die Republikaner haben ebenso eine echte Chance gehabt. Ernsthafte Bemühungen sind aber zum Scheitern verurteilt, solang der Leidensdruck nicht extrem hoch wird.

> Heute gibt es aber offensichtlich keine andere Partei die dazu in der
> Lage ist dauerhaft für sich eine "Nachfrage" über 5% zu generieren

Das weiß man nicht. Die Nachfrage wird ja nicht gemessen. Bei mir könnte z.B. durchaus Nachfrage auch nach real existierenden Parteien bestehen (je nach konkreten Umständen), aber dafür geb ich nur vereinzelt mein Wahlrecht auf (zumal ich derzeit teilweise gezwungen bin, die PDS zu wählen, um nicht auch noch dieses potenzielle Angebot dauerhaft zu verlieren).

> Zur Frauenquote: sie ist aus meiner Sicht undemokratisch.

Quotierungen sind nicht unbedingt undemokratisch. Insbesondere sind regionale Quoten völlig normal, obwohl ihre Umsetzung meistens noch sehr viel weiter geht. Z.B. darf ich keine hessischen Kandidaten für den Bundestag wählen, während mein Recht, Frauen zu wählen, kaum wer in Frage stellt.

> Das ist genauso unsinnig wie eine Wahlpflicht.

Da ist die Lage allerdings recht ähnlich. Beides ist eigentlich unnötig, aber es kann je nach den konkreten Umständen durchaus Fälle geben, wo solche Regelungen sinnvoll sind. Falls die Wahlbeteiligung mal wirklich niedrig wird, könnte man für die, die sich enthalten wollen (was ihr Recht ist), trotzdem eine Aktivität verlangen, um reine Bequemlichkeits-Nichtwähler zu verhindern.

> Das Mutterland der Demokratie England

Ist aber inzwischen ziemlich senil geworden.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. Juni 2004 - 21:05 Uhr:   

@co7

"Deshalb waren viele Leute bereit, ihre demokratischen Rechte zu veräußern."
- Inwiefern veräußern????

"Das weiß man nicht. Die Nachfrage wird ja nicht gemessen. Bei mir könnte z.B. durchaus Nachfrage auch nach real existierenden Parteien bestehen (je nach konkreten Umständen
- Es gibt Meinungsumfragen und Untersuchungen die auch die Bereitschaft eruiren eine neue Partei zu wählen: sei es eine SPD-Abspaltung oder eine Partei rechts der Union. Es gibt Potenzialanalysen: wobei wenn man die Potenziale addiert natürlich ein Ergebnis weit über 100% herauskommt. Keine Partei deckt auch nur annähernd ihr Potenzial ab. Am besten sind hier zur Zeit noch die Grünen, wobei dies zu einem großen Teil winfall-profits von der Schwäche der SPD sind. Bei der Europawahl z.B. macht der Zugewinn der Grünen nur die Hälfte des SPD-Verlustes aus während Verlusten der Union fast im gleichen Umfang Gewinne der FDP gegenüberstehen.

", aber dafür geb ich nur vereinzelt mein Wahlrecht auf"
(zumal ich derzeit teilweise gezwungen bin, die PDS zu wählen, um nicht auch noch dieses potenzielle Angebot dauerhaft zu verlieren)."
Was heißt Wahlrecht aufgeben???? Es gibt immer eine Hürde: selbst ohne festgelegte Hürde bestimmt sie sich aus der größe des Gremiums. Und angesichts der Zerplitterung die durch eine Abschaffung der 5%-Hürder hervorgerufen würde (man erinnere nur an Weimar) ist eine solche Sperrklausel zwingend notwendig. Über die Höhe kann man ja streiten. Aber eine Zersplitterung der Parteilandschaft erschwert die Mehrheitsbildung noch mehr. Schon die gegenwärtige Bundesregierung ist ja kaum noch handlungsfähig da sie sich zur Rücksichtnahme auf 7 oder 8 Abweichler der Linken gezwungen sieht.
Im übrigen: wer "zwingt" Dich dazu PDS zu wählen?? Wohl Du dich selbst. Ich jedenfalls würde mir wünschen das die Partei auf Bundesebene verschwindunden bleibt. Wenn die SPD allerdings so weitermacht wird das schwierig. Dann könnte neben den Grünen auch die PDS verstärkt winfall-profits von der Schwäche der SPD bekommen.
Naja: sollte die SPD nach 2006 Opposition sein könnte sie ja wieder nach links rutschen und die PDS dann (jedenfalls auf Bundesebene) wieder plattmachen.

"Quotierungen sind nicht unbedingt undemokratisch. Insbesondere sind regionale Quoten völlig normal" - also von regionalen Quoten ist mir nichts bekannt. Du verweist vielmehr darauf, dass unser Wahlrecht die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt. Daher die Landeslisten. Die Wahlkreise dienen natürlich auch einer regionalen Repräsentanz. Aber es gibt hierfür doch keinerlei Quoten. Z.B. können auf der Landesliste ja auch Kandiaten aufgestellt werden die nicht aus dem Bundesland stammen. Die Anzahl der Abgeordneten pro Bundesland ist gerade nicht festgesetzt (wie z.B. beim Wahlmännerkollegium oder bei beiden Häusern des Kongresses in den USA) sondern nur die Wahlkreise.
Im übrigen: Es gibt Parteien die nur in wenigen Bundesländern antreten. Bestes Beispiel: die CSU: 100% bayerisch, alle übrigen Regionen nicht repräsentiert. Im Gegensatz die CDU: es wird nur wenige Bayern bei ihr geben (Ausgewanderte). Wenn man nun regionale Quoten für die Parteien einführen würde hätten sowohl CDU wie CSU Probleme, denn dann müßte die CDU Bayern und die CSU Nicht-Bayern aufstellen um die Quoten zu erfüllen obwohl sie gar nicht um diese Wähler werben. Das ist auch vollkommen legitim.
Die Feministische Partei Deutschlands stellt nur Frauen auf: kann sie doch machen: lassen wir sie doch.
Wenn man erstmal mit Quoten anfängt wo soll das dann enden: Erst die Frauenquote, dann regionale Quoten, dann vielleicht noch Berufsgruppen (öffentlicher Dienst ist übrigens krass überrepräsentiert, da hat Alberto recht), vielleicht auch noch nach Alter, Familienstand, Kinderzahl, sexueller Orientierung, etc. etc.
Wenn man nur einen Bruchteil dieser Quoten einführen würde, und sei es auch nur die Frauenquote, schränkt man die Wahlfreiheit und die Demokratie ein, da man von vornherein den Kandidatenkreis beschränkt: Im Extremfall kann das dazu führen das nur ein Kandidat überhaupt nur in Frage kommt oder sogar gar keiner.
Wenn eine Partei aus eigenem Antrieb in ihrer Satzung ihre Auswahlmöglichkeit einschränken will: von mir aus!!!
Das sollte sie dann aber nicht versuchen allen anderen Parteien aufzuzwingen. Sie kann ja mit diesen Markenzeichen werben. Wenn die Wähler es so toll finden wird sie vielleicht mehr gewählt!


"Das ist genauso unsinnig wie eine Wahlpflicht.
Da ist die Lage allerdings recht ähnlich. Beides ist eigentlich unnötig, aber es kann je nach den konkreten Umständen durchaus Fälle geben, wo solche Regelungen sinnvoll sind. Falls die Wahlbeteiligung mal wirklich niedrig wird, könnte man für die, die sich enthalten wollen (was ihr Recht ist), trotzdem eine Aktivität verlangen, um reine Bequemlichkeits-Nichtwähler zu verhindern."
Hier unterscheidet sich unser Staatsverständnis: wenn die Leute nicht wählen gehen wollen - aus welchen Gründen auch immer - setzt Du auf Zwang. Ich nicht. Ich sehe das Wahlrecht genauso wie andere Recht: man kann es wahrnehmen oder auch nicht. Genauso wie das Recht auf Meinungsäußerung eben das Recht beinhaltet seine Meinung öffentlich zu äußern ODER EBEN AUCH NICHT.
Der Staat hat nicht das Recht seine Bürger zu zwingen durch einen Wahlzwang eine öffentliche Demonstration seiner "Legtitimität" abzuverlangen. Wenn die Bürger selbst ihm dies nicht zusprechen ist das ihr Recht. Ich kann dies jedenfalls nicht mit meinem Verständnis von einem freien und demokratischen Staat verbinden einen Wahlzwang einzuführen.
Ich kann auch gar nicht erkennen wieso dieser irgend etwas bringen soll. Entweder man provoziert die Leute zur Protestwahl oder zur ungültigen Stimmabgabe. Legitimation kann jedenfalls nie durch Zwang erfolgen: Das ist dann nur Scheinlegitimation wie in Diktaturen.

"Das Mutterland der Demokratie England
Ist aber inzwischen ziemlich senil geworden."
Inwiefern: Immerhin erlauben sich die Briten einen Volksentscheid über die EU-Verfassung. Die Qualität der Debatten im britischen Unterhaus ist der im Bundestag um Lichtjahre voraus. Das galt gerade auch für die Debatten um den Irak-Krieg. Blair ist ein hervorragender Redner. Aber auch einige Abgeordnete der Opposition (Liberale bzw. Konservative) sind z.T. ganz schlagfertig.
Dagegen besteht unser heutiger Bundestag aus lauter Schlafmützen.
 Link zu diesem Beitrag

c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juli 2004 - 02:08 Uhr:   

Marc:
> Inwiefern veräußern????

Wenn ich eine Partei wähl, von der ich ausgehn muss, dass sie keine Chancen auf 5% hat, geb ich faktisch anderen Leuten die Möglichkeit, über meine Stimme zu verfügen. Bei Europawahlen ist das vielen Leuten relativ egal und in APO-Kreisen hat es wohl auch nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

> Es gibt Meinungsumfragen und Untersuchungen die auch die Bereitschaft
> eruiren eine neue Partei zu wählen

Ich geb allgemein nicht viel auf Umfragen. Aber hier wird ja in der Regel auch noch die Frage gestellt, ob ich mir vorstellen kann, irgendeine Partei zu wählen. Natürlich scheiden da die Kleinparteien aus technischen Gründen wieder aus. Zumal sie für die meisten Wähler erst mal die Chance auf eine Entwicklung in die Wahrnehmbarkeit bräuchten. Wer kein ernsthafter Konkurrent ist, wird auch in den Medien nicht beachtet.

> Es gibt immer eine Hürde: selbst ohne festgelegte Hürde bestimmt
> sie sich aus der größe des Gremiums.

Ja, aber sie ist ziemlich bedeutungslos, wenn ein vernünftiges Sitzzuteilungsverfahren verwendet wird. Dem Risiko, unter der natürlichen Sperklausel zu bleiben, steht dann ein gewisser Vorteil gegenüber, wenn sie knapp überwunden wird. Das Problem besteht dann nur noch bei extrem kleinen Gruppierungen, die sowieso ein Fall für Hürden bei der Zulassung zur Kandidatur sind.

Aber ich stell ja gar nicht die Sperrklausel an sich in Frage (wenn auch 5% für meinen Geschmack etwas viel ist). Das Problem ist nur, dass ein Wähler, dem seine Stimme gestrichen wird, keine Chance zu einer alternativen Stimmabgabe bekommt.

> man erinnere nur an Weimar

Das ist lang her. Inzwischen hat sich einiges getan, insbesondere auch in der Parteienlandschaft und speziell der relativen Nähe der Parteien zueinander. An die 80% aller Stimmen gehen heute an Parteien, die alle untereinander nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch problemlos koalitionsfähig sind. Selbst wenn es da Verluste gäbe, wär da noch sehr viel Spielraum.

> Im übrigen: wer "zwingt" Dich dazu PDS zu wählen??

Die taktischen Zwänge. Wenn sie zu lang oder zu weit unter 5% bleibt, ist sie weg und damit die Auswahl in dem politischen Bereich, der für mich eine gewisse Relevanz hat, dauerhaft reduziert.

> Du verweist vielmehr darauf, dass unser Wahlrecht die föderale
> Struktur der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt.

Es könnte ja auch die zweigeschlechtliche Struktur der Wahlberechtigten berücksichtigen, indem Männer nur Männer und Frauen nur Frauen wählen. Bei beidem gibt es Gründe dafür und dagegen.

> Aber es gibt hierfür doch keinerlei Quoten.

Doch, ein Land hat seine Wahlkreise als Mindestquoten und darüber hinaus bekommt es sogar Sitze, die halbwegs proportional zur Zahl seiner Stimmen sind (abgesehn von den Effekten der Sperrklausel und Überhangmandaten).

> Bestes Beispiel: die CSU: 100% bayerisch, alle übrigen Regionen
> nicht repräsentiert.

Ja, weil die Quote für bayrische Listen in Bayern 100% ist, in den anderen Ländern aber 0%. Das schränkt die Wahlfreiheit extrem ein.

> Hier unterscheidet sich unser Staatsverständnis: wenn die Leute nicht
> wählen gehen wollen - aus welchen Gründen auch immer - setzt Du auf Zwang.

Die Existenz des Staats beruht bereits auf Zwang. Wieso sollten da derart zentrale Fragen für seinen Fortbestand nicht per Zwang geregelt werden können? Das heißt ja nicht, dass der Zwang wünschenswert wär.

> Genauso wie das Recht auf Meinungsäußerung eben das Recht beinhaltet
> seine Meinung öffentlich zu äußern ODER EBEN AUCH NICHT.

Schüler werden durchaus gezwungen, ihre Meinung zu äußern, eben weil es nicht nur ein Recht ist, sondern für unseren Staat unverzichtbar und damit eingeübt werden muss.

> Ich kann auch gar nicht erkennen wieso dieser irgend etwas bringen soll.

Das ist natürlich eine andere Frage. Momentan seh ich auch zu wenig praktische Vorteile, dass eine Wahlpflicht zu rechtfertigen wär.

> Legitimation kann jedenfalls nie durch Zwang erfolgen

Richtig, deshalb sollte es gegebenenfalls auch die klare Möglichkeit zu einer Enthaltung geben (allerdings ist es aus der Sicht des Staats auch plausibel, dafür eine Eigeninitiative zu fordern, die Stimme ungültig zu machen (solang das überhaupt möglich ist)).

> Inwiefern

England ist heute sicher nicht mehr die Avantgarde bei der Fortentwicklung der Demokratie. Insbesondere beim Wahlrecht.

> Immerhin erlauben sich die Briten einen Volksentscheid über die EU-Verfassung.

Das hat aber kaum inhaltliche Gründe. Außerdem sind Volksentscheide zu solchen Fragen eigentlich eh seit langem die Regel und sollten überall selbstverständlich sein.

> Die Qualität der Debatten im britischen Unterhaus ist der im
> Bundestag um Lichtjahre voraus.

Das sind doch in beiden Fällen nur Showkämpfe, denen halt eine etwas unterschiedliche Mentalität zugrunde liegt. Eigentlich sind sie eh ein Anachronismus, weil die Entscheidungen zu diesem Zeitpunkt längst gefallen sind und werbetechnisch andere Formen der Vermittlung an die Zuschauer bzw. Wähler zeitgemäßer wären.
 Link zu diesem Beitrag

Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juli 2004 - 10:35 Uhr:   

Marc K. schrieb:
"Und angesichts der Zerplitterung die durch eine Abschaffung der 5%-Hürder hervorgerufen würde (man erinnere nur an Weimar) ist eine solche Sperrklausel zwingend notwendig. Über die Höhe kann man ja streiten. Aber eine Zersplitterung der Parteilandschaft erschwert die Mehrheitsbildung noch mehr."

Das ist leider eine der typischen Legendenbildungen, die sich offenbar irgendwann festsetzen und dann kaum noch hinterfragt werden. Wenn man sich das Ganze aber etwas genauer und zwar vor allem vom ERGEBNIS her anschaut, sieht die Sache oft ganz anders aus. Hier nur einige Beispiele:

1. Der einzige Fall, dass eine Partei (oder besser Fraktion, nämlich die CDU/CSU) bei einer Bundestagswahl die absolute Mehrheit erzielte, ereignete sich 1957. Und die absolute Mehrheit dürfte ja wohl das Optimum an Stabilität sein. Interessanterweise war damals die Parteienlandschaft aber noch sehr viel differenzierter. In großen Teilen der Bundesrepublik hatte sich die CDU/CSU damals noch nicht einmal als die große Volkspartei im bürgerlichen Lager durchsetzen können.

2. Die 5-Prozent-Hürde war in erster Linie ein parteitaktisches Element, das von Regierungsparteien gezielt genutzt wurde, um Konkurrenten aus dem Weg zu räumen oder um Konkurrenten des politischen Gegners zu stärken. Die Einführung von 5-Prozent-Hürden war nämlich keineswegs eine Einbahnstraße. In Niedersachen wurde sie z.B. von der SPD in den 50er Jahren wieder abgeschafft, um den Koalitionspartner Zentrum zu stärken. Als dann die CDU wieder in die Regierung zurückkehrte, wurde sie flugs wieder eingeführt, um Zentrum, DRP, BHE und vor allem DP den Garaus zu machen.

3. Niedersachsen ist auch ein gutes Beispiel, dass viele Parteien nicht zwingen Chaos nach sich ziehen. Dort waren noch in den 50er Jahren bis zu 10 Parteien im Landtag vertreten. Trotzdem kam es trotz mancherlei Regierungskrisen nie zu derartigen Selbstblockaden des Parlaments, dass etwa Neuwahlen hätten durchgeführt werden müssen. Genau diese Fälle erlebten wir dagegen in Serie in den achtziger Jahren in Hamburg und Hessen, und das bei wunderbar übersichtlichen Drei-Parteien-Parlamenten.

4. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass in den sechziger Jahren genau zu dem Zeitpunkt die große Diskussion um das das Mehrheitswahlrecht einsetzte, als die Potentiale der 5-Prozent-Hürde zur Parteienlandschaftsbereinigung scheinbar ausgereizt schienen. Jetzt sollte auch noch die FDP aus dem Weg geräumt werden. Dass dieses dann doch nicht gelang, hing einzig und allein mit dem Wahlausgang 1969 zusammen, der die FDP zu einem hoch begehrten Regierungspartner machte.

5. Auch heute noch wird die 5-Prozent-Hürde sehr gerne von Parteien taktisch eingesetzt, wenn auch (derzeit) nur noch beim Kommunalwahlrecht. Ein schönes Beispiel sind hierfür immer wieder die Grünen, die früher vehementeste Gegner dieser Hürde waren. Als sie dann aber als inzwischen etablierte Partei in NRW an die Regierung kamen, war ihnen diese Hürde in den Kommunen plötzlich sehr recht. Die Abschaffung musste vor Gericht schließlich von der ÖDP durchgesetzt werden. An diese Klage hatte sich übrigens am Schluss noch die PDS in NRW drangehängt. Genau diese PDS verteidigte aber als Regierungspartei in Mecklenburg-Vorpommern die Hürde und musste dort wiederum vor Gericht unterliegen. Der dortige Prozess gegen die Hürde wurde - man ahnt es schon - von den Grünen angestrengt.

Mir erzähle niemand, dass es den (Regierungs)Parteien bei der Einführung von 5-Prozent-Hürden auf welcher Ebene auch immer um so etwas wie das Allgemeinwohl geht!
 Link zu diesem Beitrag

Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juli 2004 - 10:50 Uhr:   

Jetzt will ich aber noch kurz die Kurve zum eigentlichen Thema kriegen. Wie sieht es eigentlich aus, wenn man mal die 5-Prozent-Hürde in ihren Auswirkungen mit einer Frauenqote vergleicht?

Bei der 5-Prozent-Hürde erleben wir es immer wieder, dass es plötzlich zu Mehrheiten im Parlament kommt, die so vom Wähler eigentlich gar nicht beabsichtigt waren, siehe z.B. die letzte Bundestagswahl oder auch die Bundestagswahl von 1969.

Bei einer Frauenquote wird in die eigentlichen Mehrheitsverhältnisse im Parlament dagegen überhaupt nicht eingegriffen, sondern einzig in die personelle Zusammensetzung der Fraktionen.

Beides sind natürlich "künstliche" Eingriffe in die freie Ausübung demokratischer Wahlrechte. Bei einem Vergleich der beiden Fälle, käme ich aber klar zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen bei der 5-Prozent-Hürde gravierender sind.

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite