Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin

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Pressemitteilung

24.01.2007


Übersicht – Berliner Wahlrecht

Terminshinweis für mündliche Verhandlung am Dienstag, den 30. Januar 2007, 10.00 Uhr: Wahlprüfungsverfahren über Einsprüche gegen Verteilung von Ausgleichsmandaten bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus vom 17. September 2006

 
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat für

Dienstag, den 30. Januar 2007, 10.00 Uhr,

I. in dem Wahlprüfungsverfahren (Geschäftszeichen: VerfGH 168/06) über den Einspruch

des Herrn Helmut H e i n r i c h,
Berlin,

– Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte White & Case,
handelnd durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Finkelnburg,
Berlin –

g e g e n

seine Nichtberufung in das Abgeordnetenhaus von Berlin,

weitere Beteiligte gemäß § 41 VerfGHG:
1. die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin,
vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden,
2. die Fraktion der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin,
vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden,
3. die Fraktion Die Linkspartei.PDS im Abgeordnetenhaus von Berlin,
vertreten durch die Fraktionsvorsitzende,
4. die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin,
vertreten durch die Fraktionsvorsitzenden,
5. die Fraktion der FDP im Abgeordnetenhaus von Berlin,
vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden,
6. der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin,
7. die Senatsverwaltung für Inneres,
8. der Landeswahlleiter,
9. Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin Carsten Wilke,

– Verfahrensbevollmächtigter des Beteiligten zu 9.:
Prof. Dr. Götz Meder, Berlin –

II. in dem Wahlprüfungsverfahren (Geschäftszeichen: VerfGH 169/06) über den Einspruch

der Frau Sylvia Maria v o n S t i e g l i t z, Berlin,

– Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte White & Case,
handelnd durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Finkelnburg,
Kurfürstendamm 32, 10719 Berlin –

g e g e n

ihre Nichtberufung in das Abgeordnetenhaus von Berlin,

weitere Beteiligte gemäß § 41 VerfGHG:

1.–8. wie im Verfahren VerfGH 168/06,
9. Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin Mirco Dragowski,
– Verfahrensbevollmächtigter des Beteiligten zu 9.:
Dr. Matthias Rossi, Berlin –

Termin zur mündlichen Verhandlung im Plenarsaal (Raum 240)
im Gebäude des Kammergerichts, Elßholzstraße 30–33,
10781 Berlin-Schöneberg, anberaumt.
 

Gegenstand des Verfahrens:

 
Die Einsprechenden wenden sich gegen die Verteilung der Sitze im Abgeordnetenhaus von Berlin aufgrund des Beschlusses des Landeswahlausschusses vom 5. Oktober 2006 und begehren, anstelle der Beteiligten zu 9. als Abgeordnete in das Abgeordnetenhaus berufen zu werden. 1
Nach den Vorschriften des Berliner Landeswahlgesetzes (LWG) werden die Sitze im Abgeordnetenhaus auf die Parteien auf Grund des Verfahrens der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) verteilt, bei dem die Zahl der auf eine Partei entfallenden Grundmandate durch den auf sie entfallenden Teil der Zweitstimmen an der Gesamtzahl der abgegebenen Zweitstimmen bestimmt wird. Den Parteien verbleiben allerdings die in den Wahlkreisen aufgrund der Mehrheit der Erststimmen errungenen Sitze auch dann, wenn sie die nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren ermittelte Anzahl von Sitzen übersteigen (Überhangmandate). Sind Überhangmandate zu vergeben, so erhöht sich die Anzahl der Sitze des Abgeordnetenhauses um Ausgleichsmandate, damit die Sitzverteilung nach dem Verhältnis der gesamten Zweitstimmenzahl der Parteien gewährleistet wird. 2
Zu der am 17. September 2006 durchgeführten Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin kandidierte der Einsprechende Heinrich im Wahlkreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf auf Listenplatz 5 der von der CDU eingereichten Bezirksliste, die Einsprechende von Stieglitz im Wahlkreisverband Steglitz-Zehlendorf auf Listenplatz 3 der von der FDP eingereichten Bezirksliste. 3
Nach dem vom Landeswahlleiter veröffentlichten vorläufigen Wahlergebnis erzielte die CDU insgesamt 37 Mandate, darunter ein Überhangmandat und vier Ausgleichsmandate, die FDP 12 Grundmandate sowie ein Ausgleichsmandat. Auf die Bezirksliste Charlottenburg-Wilmersdorf der CDU entfielen danach fünf Mandate einschließlich eines Ausgleichsmandats, auf die Bezirksliste Steglitz-Zehlendorf der FDP drei Mandate einschließlich eines Ausgleichsmandats mit der Folge, dass die Einsprechenden Heinrich und von Stieglitz vom Landeswahlleiter vorläufig als gewählte Abgeordnete benannt wurden. Dieses Ergebnis beruhte auf einer Berechnung der Ausgleichsmandatszuteilung an die Bezirkslisten gemäß § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 7 der Landeswahlordnung (LWO) dergestalt, dass die Anzahl der Zweitstimmen in jedem Wahlkreisverband lediglich mit der Zahl der zu vergebenden Ausgleichsmandate multipliziert und dann durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen der Partei aus allen Wahlkreisverbänden geteilt worden war. 4
In seiner Sitzung vom 5. Oktober 2006 beschloss der Landeswahlausschuss, die Verteilung der Ausgleichsmandate auf die Bezirkslisten der Parteien gemäß § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 7 LWO abweichend von dem veröffentlichten vorläufigen Wahlergebnis zu berechnen. Die Anzahl der Zweitstimmen in jedem Wahlkreisverband wurde nun mit der Zahl der insgesamt zu verteilenden Mandate – Grundmandate und Überhangmandate und Ausgleichsmandate – einer Partei, für die CDU somit 37 und für die FDP 13, multipliziert und dann durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen der Partei aus allen Wahlkreisverbänden geteilt. Hieraus ergab sich für jede der von den Parteien eingereichten Bezirkslisten eine Berechnungszahl, auf Grund derer die insgesamt zu verteilenden Mandate nach Ganzzahl und Zahlenbruchteil auf die Bezirkslisten verteilt wurden. Danach entfielen die ursprünglich der Bezirksliste Charlottenburg-Wilmersdorf der CDU bzw. der Bezirksliste Steglitz-Zehlendorf der FDP zugeordneten Ausgleichsmandate nunmehr auf die Bezirksliste Marzahn-Hellersdorf der CDU bzw. die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg der FDP, so dass die Einsprechenden nicht in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt waren. 5
Die Einsprechenden halten diese Verteilung der Ausgleichsmandate für rechtswidrig. Sie verweisen darauf, dass die Verteilung der Grundmandate abschließend durch das Landeswahlgesetz geregelt werde. Die Regelungen der im Rang unter dem Gesetz stehenden Landeswahlordnung dürften nicht zu einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Verteilung führen. Dies sei jedoch nur gewährleistet, sofern – wie zunächst in der vorläufigen Berechnung des Landeswahlleiters geschehen – die Ausgleichsmandate lediglich zusätzlich zugeteilt, nicht aber auch die zunächst nach § 17 LWG errungenen Grund- und Überhangmandate in die Verteilungsrechnung einbezogen würden. Bei der vom Landeswahlausschuss vorgenommenen Berechnung sei die unzulässige Folge nicht auszuschließen, dass sich in rechnerischen Randbereichen eine den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Verteilung der Grundmandate ergebe. Denn dem Verfahren der mathematischen Proportion nach Hare-Niemeyer sei das sog. „Alabama-Paradoxon“ systemimmanent; danach könne dasselbe Stimmenergebnis bei einer Erhöhung der Gesamtmandatszahl in Ausnahmefällen zu einem Verlust eines Mandats führen. 6
Die Einsprechenden rügen ferner, dass ihnen der Landeswahlausschuss in der Sitzung vom 5. Oktober 2006 keine Gelegenheit gegeben habe, zu der neuen, für sie nachteiligen Berechnungsmethode Stellung zu nehmen. Dies widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen. 7

Modalitäten für die Berichterstattung:

 
Eine Akkreditierung ist nicht erforderlich. Es wird gebeten, die Rahmenbedingungen des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin für Vertreter der Presse sowie der Hörfunk- und Fernsehanstalten zu beachten, die im Internet unter www.berlin.de/SenJust/Gerichte/LVerfGH als „Hinweise für die Presse“ abrufbar sind. 8

 


eingetragen von Matthias Cantow