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Bundesministerium des Innern

Referat V I 5

Az.: V I 5 – 121 115/11

Berlin, Dienstag, den 02.03.2010


 

[Protokoll vom 02.03.2010 – V I 5 – 121 115/11, S. 1] Ergebnisprotokoll

Thema: Künftiger Einsatz von Wahlgeräten

Ort: Berlin, BMI (FP 1.311)
Datum: 02.03.2010
Beginn: 11.00 Uhr
Ende: 13.30 Uhr
Verfasser: Dr. Boehl
 

Tagesordnung:

Künftiger Einsatz von Wahlgeräten nach der Entscheidung des BVerfG vom 03.03.2009
a) Vorschlag Bremen (Einsatz von Zählcomputern bei der Auswertung)
b) NEDAP-neu (Einsatz von Wahlgeräten für Stimmerfassung und Auswertung)
1

Besprechungsergebnisse:

1. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2009 (BVerfGE 123, 39) gibt keinen Anlass zu einer grundsätzlichen Abkehr von der Möglichkeit des Einsatzes technischer Wahlgeräte. Allerdings sind die in dem Urteil ausgesprochenen und die mangels Entscheidungsrelevanz nicht herangezogenen, aber in anderen Fallgestaltungen möglicherweise relevanten weiteren verfassungsrechtlichen Hürden so hoch, dass angesichts der gegenwärtig bekannten Geräte ein Einsatz gegenwärtig nicht in Frage kommt. 2
2. Der eine Teil der Länder und der Bund halten den künftigen Einsatz von Wahlgeräten angesichts der gravierenden rechtlichen Hindernisse und Unwägbarkeiten für nicht realisierbar. Auch die Länder, die den Einsatz von Wahlgeräten für wünschenswert halten, sehen sich derzeit nicht in der Lage, einen verfassungsrechtlich gangbaren Weg dafür aufzuzeigen. Im Ergebnis bestand Einvernehmen, dass ein verfassungsrechtlich unbedenklicher Weg für einen künftigen Einsatz von Wahlgeräten zur Zeit nicht erkennbar ist. 3
3. Einvernehmen bestand unter den Teilnehmern, dass der – bei der Europawahl 2009 und bei der Bundestagswahl 2009 bereits ausgesetzte – Einsatz der Wahlgeräte der Firma NEDAP angesichts des Urteils des BVerfG vom 03.03.2009 (BVerfGE 123, 39 <85>) auch in Zukunft nicht in Frage kommt. An dieser Bewertung vermögen auch die derzeit diskutierten Modifikationsvorschläge (Papier-Quittung für Stimmabgabe) nichts zu ändern, da auch hierdurch die vom Bundesverfassungsgericht geforderte, nicht auf das Ergebnis beschränkte, sondern auch die wesentlichen Schritte des Wahlverfahrens umfassende Kontrolle durch die Bürger nicht gewährleistet werden kann. 4
[Protokoll vom 02.03.2010 – V I 5 – 121 115/11, S. 2] 4. Die Teilnehmer sind sich einig, dass angesichts der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit der Wahlgeräteverordnung (BVerfGE 123, 39 [81]) aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage der Einsatz von Wahlgeräten nicht möglich ist. 5
5. Von einer gesetzlichen Festlegung von Anforderungen für einen künftigen Einsatz wird angesichts der nicht gegebenen praktischen Relevanz und der ungeklärten rechtlichen Voraussetzungen abgesehen. 6
6. Im Interesse der Offenheit für künftige Entwicklungen wird auch von einer Aufhebung des § 35 BWG abgesehen. 7
7. Gegen den von Bremen verfolgten Ansatz, Zähl-Computer mit einer speziellen Software zur Auswertung des Wahlergebnisses nach einer herkömmlichen Wahl mit Stimmzetteln einzusetzen, wurden keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2009 vorgetragen. 8
8. Unabhängig davon, ob zur Stimmauszählung eingesetzten Zähl-Computer als „Wahlgeräte“ zu qualifizieren sind oder nicht, gelten die aus den Wahlgrundsätzen des Art. 38 Abs. 1 GG abzuleitenden Anforderungen für jedes Stadium der Wahl. Dies gilt sowohl für die Anforderungen aus Art. 38 Abs. 1 GG, die bereits Gegenstand und Maßstab einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen sind, als auch für die Anforderungen, die in bisherigen Entscheidungen (noch) nicht herangezogen wurden. 9
Verteiler: Teilnehmer der Besprechung; AL V; St RG; BWL; Innenministerien der Länder 10
gez. Dr. Boehl 11

 


eingetragen von Matthias Cantow