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Deutscher Bundestag

Drucksache 16/9253

16.05.2008


[BT-Drucks. 16/9253, S. 1] Unterrichtung

durch die Bundesregierung

Bericht zu Prüfbitten zur Änderung von Wahlrechtsvorschriften

Das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) enthält die umfangreichste Novellierung des Bundeswahlgesetzes in den letzten 20 Jahren. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, welche Änderungen des Rechts der Bundestagswahl er auf der Gesetzesebene für erforderlich hält. Die nachfolgenden Ausführungen gehen daher verstärkt auf Prüfbitten ein, die sich auf Maßnahmen unterhalb der Gesetzesebene beziehen. 1

Zu den Prüfbitten auf Bundestagsdrucksache 16/1800:

Zur Prüfbitte gem. 1. Anstrich, ob durch geeignete Maßnahmen – etwa durch einen Beitritt zum CIEC-Übereinkommen Nr. 8 vom 10. September 1964, den Abschluss sonstiger zum Austausch von Einbürgerungsmitteilungen verpflichtender völkerrechtlicher Verträge oder die Einführung einer Mitteilungspflicht für Deutsche, die eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen haben – sichergestellt werden kann, dass keine Personen an Bundestagswahlen teilnehmen, die gemäß § 25 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch Erlangung einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit und damit das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag verloren haben. 2
Seit dem 1. November 2007 sind Personen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit erwerben, verpflichtet, dies den deutschen Behörden anzuzeigen; eine Verletzung der Anzeigepflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies ist eine Folge der Neuregelungen in § 15 Nr. 4 und § 25 Abs. 2 Nr. 3 des Passgesetzes (PassG) durch das Gesetz zur Änderung des Passgesetzes und anderer Gesetze vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1566). Diese Bestimmungen tragen nunmehr zu einer Verbesserung der Kenntnislage deutscher Behörden hinsichtlich des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit bei. 3
Zu dem Problem des Rückerwerbs der früheren ausländischen Staatsangehörigkeit durch eingebürgerte Deutsche im Inland mit der Folge des automatischen Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 25 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes [StAG]) ist weiterhin beabsichtigt, mit der Türkei als dem wichtigsten Herkunftsstaat von Einbürgerungsbewerbern ein Regierungsabkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen zu schließen. Der Bundesminister des Innern hat dies anlässlich seiner Reise in die Türkei vom 3. bis 5. Februar 2008 gegenüber der türkischen Regierung angesprochen. Es wurde vereinbart, dass bereits begonnene fachliche Delegationsgespräche über ein entsprechendes bilaterales Abkommen fortgesetzt werden. 4
Einen Beitritt zum CIEC-Übereinkommen Nr. 8 vom 10. September 1964 hält das Bundesministerium des Innern nicht für erstrebenswert. Die Türkei hat dieses Übereinkommen am 9. Januar 2008 gekündigt. Bei den übrigen Vertragsstaaten handelt es sich um EU-Mitgliedstaaten, bei deren Staatsangehörigkeitserwerb die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren geht (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StAG), so dass sich die Frage des Beitritts Deutschlands zu diesem Übereinkommen gar nicht mehr stellt. Ob aus der Kündigung des CIEC-Übereinkommens durch die Türkei Rückschlüsse auf die Bereitschaft der Türkei zum Abschluss eines bilateralen Abkommens mit Deutschland über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen gezogen werden kann, werden erst die kommenden Delegationsgespräche ergeben. 5
Zur Prüfbitte gem. 2. Anstrich, ob § 30 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG), § 45 Abs. 1 der Bundeswahlordnung (BWO) dahin gehend zu ändern sind, dass aus den Angaben auf dem Stimmzettel auch das Geschlecht der Wahlbewerber eindeutig erkennbar wird. 6
Eine Kenntlichmachung des Geschlechts ist nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern allenfalls bei Wahlkreisbewerbern und -bewerberinnen zu erwägen. Deren Wahl mit der Erststimme ist in besonderem Maße personenbezogen, während bei der Wahl der Landesliste mit der Zweitstimme in erster Linie eine bestimmte Partei gewählt wird. Die hinter dem Wahlvorschlag stehenden Personen spielen hier eine weniger wichtige Rolle, was auch daran deutlich wird, dass nur die ersten fünf [BT-Drucks. 16/9253, S. 2] Bewerber namentlich auf dem Stimmzettel aufgeführt werden müssen und die Angabe von Beruf und Adresse – im Gegensatz zu den Kreiswahlvorschlägen – fehlt. 7
Bei den Kreiswahlvorschlägen geht im Regelfall bereits aus dem Vornamen des Bewerbers oder der Bewerberin das Geschlecht eindeutig hervor. Jedenfalls bei solchen mit deutscher Herkunft muss der Vorname, ggfs. in Verbindung mit einem weiteren Vornamen, das Geschlecht erkennen lassen (§ 262 Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden). Bleiben dennoch Zweifel, so ergibt sich häufig aus der bei den Kreiswahlvorschlägen aufzunehmenden Berufsbezeichnung das Geschlecht. 8
Zudem dürften den Wählerinnen und Wählern die Wahlkreisbewerber und -bewerberinnen in der Regel durch Wahlwerbung bekannt sein, vielfach werden sie sich auch gezielt Informationen über sie einholen. Die Situation, dass Wählerinnen und Wähler sich an einer informierten Stimmabgabe gehindert sehen, weil sie auf dem Stimmzettel das Geschlecht eines Kreiswahlvorschlages nicht erkennen, dürfte in der Praxis kaum vorkommen. 9
Allerdings könnten in Zukunft wegen des geänderten Staatsangehörigkeitsrechts und des damit verbundenen leichteren Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit vermehrt Bewerberinnen und Bewerber antreten, die einen Namen führen, der für den durchschnittlich informierten Wähler nicht ohne weiteres als weiblich oder männlich zu erkennen ist. In Verbindung mit einer geschlechtsneutralen Berufsbezeichnung ist in diesen Fällen das Geschlecht des Bewerbers aus dem Stimmzettel nicht erkennbar. 10
Das Bundesministerium des Innern wird dies weiter beobachten, sieht gegenwärtig aber keinen Regelungsbedarf. 11
Zur Prüfbitte gem. 3. Anstrich, ob durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Informationskampagnen, der unter den Wählerinnen und Wählern weit verbreiteten Unsicherheit über den konkreten Wahlvorgang, insbesondere über den Umgang mit Wahlschein und Wahlbrief bei der Urnenwahl, entgegengewirkt werden kann. 12
Aus Sicht des Bundesministeriums des Innern bedarf es keiner weitergehenden Information der Wählerinnen und Wähler über den Umgang mit Wahlschein und Wahlbrief bei der Urnenwahl. Die Informationen auf dem Wahlschein (Anlage 9 zu § 26 BWO) und auf dem Merkblatt zur Briefwahl (Anlage 12 zu § 28 Abs. 3 BWO) erteilt werden, sind eindeutig. 13
Auf dem Wahlschein heißt es: 14
„Herr/Frau … wohnhaft in … kann mit diesem Wahlschein an der Wahl in dem oben genannten Wahlkreis teilnehmen

  1. gegen Abgabe des Wahlscheines und unter Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses durch Stimmabgabe im Wahlraum in einem beliebigen Wahlbezirk des oben genannten Wahlkreises oder
     
  2. durch Briefwahl.“
15
Der Text auf dem Merkblatt zur Briefwahl lautet: 16
„Sie können an der Wahl teilnehmen:

  1. gegen Abgabe des Wahlscheines und unter Vorlage eines amtlichen Personalausweises oder Reisepasses durch Stimmabgabe im Wahlraum in einem beliebigen Wahlbezirk des auf dem Wahlschein bezeichneten Wahlkreises oder
  2. gegen Einsendung des Wahlscheines an die für Sie zuständige, auf dem Wahlbriefumschlag angegebene Stelle des auf dem Wahlschein bezeichneten Wahlkreises durch Briefwahl.“ (Hervorhebungen im Original)
17
Nach diesen Hinweisen sollte klar sein, dass eine Abgabe des Wahlbriefes im Wahllokal nicht zulässig ist. 18
Weitergehende Informationen der Wählerinnen und Wähler über die Möglichkeiten der Wahlteilnahme mittels Wahlschein und Wahlbrief bei der Urnenwahl erscheinen auch deshalb nicht angezeigt, weil die Urnenwahl mit Wahlschein ausgesprochen selten vorkommt. Bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag 2005 haben lediglich 0,08 Prozent der Wahlberechtigten mit Wahlschein an der Urnenwahl teilgenommen. Personen, die wegen erwarteter Abwesenheit am Wahltag Briefwahlunterlagen beantragen, nehmen in aller Regel auch durch Absendung des Wahlbriefes an der Briefwahl teil, selbst wenn beispielsweise eine geplante Reise doch nicht stattfindet. 19
Wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang, dass die ehrenamtlichen Wahlhelfer auch in derartigen Sonderfällen in der Regel kompetent und hilfsbereit reagieren, was in dem der Prüfbitte zugrunde liegenden Fall offenbar geschehen ist. Das Bundesministerium des Innern wird, wie bei vorangegangenen Wahlen, auch vor der nächsten Wahl den Bundeswahlleiter sowie die Innenressorts der Länder bitten, auf eine wählerorientierte Haltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindebehörden sowie der ehrenamtlichen Wahlhelfer hinzuwirken. 20
Zur Prüfbitte gem. 4. Anstrich, ob durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der Vorgaben des § 32 Abs. 1 BWG, insbesondere des Verbots der Wahlwerbung unmittelbar vor dem Zugang zum Wahlraum, besser sichergestellt werden kann. 21
Das Bundesministerium des Innern sieht keinen Bedarf für ein Tätigwerden des Gesetz- oder Verordnungsgebers. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 BWG ist hinreichend normenklar; darüber hinaus waren diese Vorschrift sowie vergleichbare Vorschriften der Länder Gegenstand zahlreicher Entscheidungen der Wahlprüfungsausschüsse und der Gerichte (vgl. die Nachweise bei Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Auflage 2002, § 32 BWG). Es ist nicht ersichtlich, dass eine Gesetzesänderung zu einer verbesserten Rechtsanwendung führen könnte. 22
Um die Befolgung der Vorschrift zu verbessern, käme eine Bußgeldbewehrung von Verstößen in Betracht. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt allerdings, dass Tat und Sanktion in einem gerechten Verhältnis stehen müssen (BVerfGE 105, 135, 154 m. w. N.). Mittel des Ordnungswidrigkeitenrechts [BT-Drucks. 16/9253, S. 3] sollten nur bei solchen Rechtspflichten als Sanktion eingesetzt werden, aus deren nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Erfüllung sich erhebliche Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen ergäben (Leitsätze zur Erforderlichkeit bußgeldrechtlicher Sanktionen, insbesondere im Verhältnis zu Maßnahmen des Verwaltungszwangs, vom 2. März 1983, abgedruckt im Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, 2. Auflage 1999, Anhang 2). Zwar stellt die unbeeinflusste Stimmabgabe ein erhebliches Gemeinschaftsinteresse dar, durch die Wahlwerbung im unmittelbaren Zugangsbereich eines Wahlraumes drohen allerdings keine erheblichen Nachteile für dieses Gemeinschaftsinteresse, die eine Bußgeldbewehrung erforderlich machten. Dies zeigt insbesondere der Vergleich mit § 49a Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 32 Abs. 2 BWG. Nach dieser Vorschrift ist die Veröffentlichung von Wählerbefragungen vor Ablauf der Wahlzeit bußgeldbewehrt. Hintergrund ist, dass eine Veröffentlichung solcher Befragungen durch Massenmedien eine deutlich größere Zahl von Wählern beeinflussen kann als eine gegen § 32 Abs. 1 BWG verstoßende Wahlwerbung an einem Wahllokal und damit erhebliche Nachteile für wichtige Gemeinschaftsinteressen drohen. 23
Das Bundesministerium des Innern wird diese Prüfbitte zum Anlass nehmen, die Länder zu bitten, gegenüber den zuständigen Stellen auf eine strikte Einhaltung des § 32 Abs. 1 BWG zu drängen. 24

Zu den Prüfbitten auf Bundestagsdrucksache 16/5700:

Zur Prüfbitte gem. 1. Anstrich, ob durch gesetzgeberische oder andere Maßnahmen die Ausübung des Wahlrechts für sich im Ausland aufhaltende Wahlberechtigte – etwa durch eine stärkere Einbindung der deutschen Auslandsvertretungen in die Vorbereitung und Durchführung der Wahl – vereinfacht werden kann. 25
Das Bundesministerium des Innern hat im Anschluss an die Bundestagswahl 2005 eingehend geprüft, welche Möglichkeiten es gibt, um die Wahlteilnahme für sich im Ausland aufhaltende Wahlberechtigte zu erleichtern. Nach seiner Auffassung wäre eine Urnenwahl in den Auslandsvertretungen mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand nicht nur für die Auslandsvertretungen, sondern vor allem für die wahlberechtigten Auslandsdeutschen verbunden. Für die meisten von ihnen ist die Wahlteilnahme per Briefwahl deutlich einfacher als eine Wahl in Botschaften oder Konsulaten, da so eine unter Umständen weite Anreise zu den Auslandsvertretungen entfällt. Für die wenigen Auslandsdeutschen, denen eine Stimmabgabe in einer Auslandsvertretung leichter fiele als eine Briefwahl, würde sich der hohe organisatorische Aufwand nicht rechtfertigen. 26
Die Wahl der Auslandsdeutschen müsste unter Zuordnung der Stimmzettel zu den Bundestagswahlkreisen erfolgen. Logistisch problematisch wäre dabei, dass alle 226 Auslandsvertretungen genügend Stimmzettel für alle 299 Wahlkreise und darüber hinaus aktuelle Wählerverzeichnisse bereithalten müssten. Weiterhin müsste, um doppelte Stimmabgaben zu vermeiden, entweder vorher ein Wahlschein beantragt und bei der Wahl abgegeben werden oder aber die Auslandsvertretungen untereinander vernetzt werden, um die bereits erfolgten Stimmabgaben abzugleichen. Zudem müsste die Wahl früher abgeschlossen werden als in Deutschland, sofern nicht Verzögerungen bei der Ermittlung des vorläufigen amtlichen Ergebnisses in Kauf genommen werden. 27
Überlegungen, im Ausland lebenden Wahlberechtigten Briefwahlunterlagen unmittelbar und ohne Antrag auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis zuzusenden, führen nicht weiter. Bisher wird durch die vor jeder Wahl neu zu beantragende Aufnahme eines Wählers ins Wählerverzeichnis am letzten inländischen Wohnort sichergestellt, dass einige Wochen danach – bei der Versendung der Briefwahlunterlagen – eine aktuelle Anschrift verzeichnet ist. Der automatische Versand von Briefwahlunterlagen ohne vorher zu beantragende Eintragung in das Wählerverzeichnis würde voraussetzen, dass der für die Versendung der Briefwahlunterlagen zuständigen deutschen Stelle vor jeder Wahl die jeweils aktuelle Auslandsanschrift des Wählers bekannt ist. Dies bedürfte jedoch der Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht für Auslandsdeutsche und der Einrichtung bzw. Bestimmung einer Behörde für deren Vollzug. Derzeit sind im Ausland lebende Deutsche nicht verpflichtet, Umzüge, Geburten eines Kindes oder Sterbefälle deutschen Behörden zu melden. Selbst wenn eine Meldepflicht für Auslandsdeutsche eingeführt würde, liefe sie mangels Durchsetzbarkeit ins Leere. Das Instrumentarium des Ordnungswidrigkeitenrechts könnte, wenn überhaupt, nicht mit derselben Wirkung eingesetzt werden wie im Inland. Eine hinreichende Verlässlichkeit der Registerdaten wäre somit nicht gegeben. Es müsste befürchtet werden, dass ein Teil der versandten Briefwahlunterlagen seine Adressaten aufgrund veralteter Anschriften nicht erreicht und eventuell sogar in falsche Hände gerät. Auf einen vor jeder Wahl zu stellenden Antrag des Wählers auf Eintragung ins Wählerverzeichnis sollte daher nicht verzichtet werden. 28
Denkbar sind jedoch verbesserte Informationen für Auslandsdeutsche, um eine frühzeitige Stellung des Antrags auf Eintragung in das Wählerverzeichnis und rechtzeitige Absendung des Wahlbriefes zu ermöglichen. Hier werden derzeit zwei Möglichkeiten geprüft: 29
Zum einen entwickelt das Auswärtige Amt derzeit das Projekt „ELEFAND“ (elektronische Erfassung von Auslandsdeutschen). Ziel des Projektes ist die Erfassung möglichst genauer, aktueller und rasch abrufbarer Daten der deutschen Staatsangehörigen, die im Bezirk der jeweiligen Auslandsvertretung leben. Die Datensammlung dient in erster Linie der Krisenvorsorge, d. h. der Information über Hilfsmaßnahmen im Katastrophenfall und der Vorbereitung und Koordinierung von Rettungsmaßnahmen. Den Deutschen soll ermöglicht werden, die Eintragung online vorzunehmen. Es ist geplant, in die Antragsmaske eine Rubrik „Weitere Angaben“ aufzunehmen, mit denen das Einverständnis für die Verwendung der persönlichen Daten für eine persönliche Unterrichtung über die Voraussetzungen zur Teilnahme an jeweils bevorstehenden Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie [BT-Drucks. 16/9253, S. 4] zum Europäischen Parlament erklärt wird. Auf diese Weise wird es möglich sein, die in ELEFAND erfassten Auslandsdeutschen nicht nur durch öffentliche Bekanntmachungen, sondern gezielt persönlich über bevorstehende Wahlen und Teilnahmemodalitäten zu unterrichten. 30
Zum anderen wird infolge des Übergangs der Kompetenz für das Meldewesen auf den Bund durch die Föderalismusreform I bei den Überlegungen zu einem Bundesmeldegesetz geprüft, inwieweit auf der Grundlage von Meldedaten Deutsche auch nach ihrem Wegzug ins Ausland über Wahlen in Deutschland und die Möglichkeiten der Teilnahme unterrichtet werden können. 31
Ob sich beide Vorhaben realisieren lassen, und inwieweit sie bei einer nur freiwilligen Teilnahme Auslandsdeutscher zu wirklichen Erleichterungen bei der Wahlteilnahme führen, ist derzeit noch nicht abzusehen. 32
Zur Prüfbitte gem. 2. Anstrich, ob das Wahlrecht dahingehend geändert werden sollte, dass bei Wahlen infolge einer Auflösung des Bundestages für einen Wahlvorschlag weniger Unterstützungsunterschriften beigebracht werden müssen als bei Wahlen nach dem regulären Ablauf der Wahlperiode. 33
In der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses auf Bundestagsdrucksache 16/900 (dort Anlage 15) ist ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die gegenwärtigen Regelungen des Bundeswahlgesetzes zu Quoren bei Unterstützungsunterschriften verfassungskonform sind. 34
Eine Absenkung oder gar ein Verzicht auf Unterschriftenquoren stünde dem Gesetzgeber wohl grundsätzlich frei, wie es das Bundesverfassungsgericht für den ähnlich gelagerten Fall der Sperrklauseln entschieden hat (BVerfGE 82, 322, 338; vgl. auch Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Auflage 2002, § 6 Rnr. 17). Das Landeswahlrecht in Schleswig-Holstein sieht im Falle von vorgezogenen Landtagswahlen ein um die Hälfte abgesenktes Quorum für Unterstützungsunterschriften vor (§ 35 LWG-SH). 35
Allerdings würde mit einer Absenkung des Quorums dessen Ziel, nicht ernsthafte und von vornherein aussichtslose Bewerbungen auszuschließen, um so einer Stimmenzersplitterung entgegenzuwirken, nicht mehr im gegenwärtigen Umfang erreicht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Unterschriftensammlung dem Nachweis eines bereits vorhandenen Rückhalts in der Bevölkerung dienen soll. Die Unterstützung aus der Bevölkerung soll nicht erst anlässlich der Unterschriftensammlung kurz vor der Wahl erarbeitet werden. Insofern ist der Zeitraum, der für die Beschaffung der Unterschriften zur Verfügung steht, nicht von entscheidender Bedeutung. Denn sowohl Parteien als auch Einzelbewerber, deren Ziel die Teilnahme an einer Bundestagswahl ist, müssen über einen längeren Zeitraum politische Arbeit leisten und dabei langfristig um Unterstützung durch die Bevölkerung werben. Die Gewinnung von Parteimitgliedern, Unterstützern und Interessenten ist eine Daueraufgabe. Verfügt die Partei oder ein Einzelbewerber in diesem Sinne über ausreichend Rückhalt in der Bevölkerung, so ist die Sammlung von Unterschriften auch in einem kurzen Zeitraum möglich. Gelingt die Unterschriftensammlung dagegen nicht, so begründet dies auch bei kurzen Fristen die Vermutung, dass der ausreichende Rückhalt in der Bevölkerung nicht vorhanden ist, so dass der Ausschluss der Wahlbewerbung gerade dem Sinn des Unterschriftenerfordernisses entspricht. Jedenfalls haben bei der Bundestagswahl 2005 von 26 politischen Vereinigungen, die ihre Beteiligung an der Bundestagswahl beim Bundeswahlleiter angezeigt hatten und als Parteien anerkannt worden waren, 18 das Unterschriftserfordernis in einem oder mehreren Ländern erfüllt; bei der Bundestagswahl 2002 waren dagegen nur 23 Vereinigungen als Parteien anerkannt, von denen 17 das Unterschriftenquorum erfüllt haben. Außerdem wurden bei der Bundestagswahl 2005 von 2.062 Kreiswahlvorschlägen insgesamt 283 Unterschriftenpflichtige zugelassen; 2002 waren dies 405 von 1.944. 36
Der Deutsche Bundestag hat in dem Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetengesetzes vom 17. März 2008 keine Absenkung der Unterschriftenquoren bei vorgezogenen Neuwahlen vorgesehen. Dies ist, wie ausgeführt, verfassungskonform und nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern auch sachgerecht. 37
Zur Prüfbitte gem. 3. Anstrich, ob das Wahlrecht dahin gehend geändert werden sollte, dass die Aufnahme von Parteifremden in Wahlvorschläge einer Partei ausgeschlossen oder stärker eingeschränkt wird oder zumindest ihre Grenzen klarer definiert werden. 38
Das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetengesetzes vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) sieht vor, dass sowohl als Bewerber einer Partei in einem Kreiswahlvorschlag als auch als Listenbewerber nur benannt werden kann, wer nicht Mitglied einer anderen Partei ist (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BWG, sowie § 27 Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 BWG). Die Aufstellung parteiloser Bewerber ist dagegen nach wie vor möglich. 39
Zur Prüfbitte gem. 4. Anstrich, ob gesetzgeberische oder andere Maßnahmen angezeigt sind, um den in Wahleinsprüchen deutlich gewordenen Vorbehalten in Bezug auf den Einsatz von elektronischen Wahlgeräten Rechnung zu tragen. 40
An der grundsätzlichen Möglichkeit des Einsatzes von lokal eingesetzten Wahlgeräten sollte im Interesse der Städte und Gemeinden, die diese in Zeiten immer schwierigerer Gewinnung von Wahlhelfern einsetzen wollen, festgehalten werden. Wahlgeräte werden mit großer Akzeptanz bei Wählern und Wahlhelfern bereits seit 1961 – elektronische Geräte seit 1999 – eingesetzt. Erst seit der Bundestagswahl 2005 ist die Verwendung von Wahlgeräten in der Kritik, obwohl es keine nachgewiesenen oder auch nur ernsthaft behaupteten Manipulationen oder Manipulationsversuche an Wahlgeräten in Deutschland gab. Aus der in den Niederlanden 2006 gelungenen Manipulation in experimenteller Umgebung kann nicht auf tatsächliche Manipulationen von realen Wahlen, nicht einmal auf reale Manipulationsmöglichkeiten in Deutschland geschlossen werden. 41
[BT-Drucks. 16/9253, S. 5] Einen absoluten technischen Schutz vor Wahlmanipulationen wird es nie geben. Jede Art der Wahl ist theoretisch manipulierbar, insbesondere wenn man – wie die Wahlgerätekritiker – von einem so genannten Innentäter ausgeht, der über genügend finanzielle Mittel, technisches Know-how, Mittäter und ausreichend kriminelle Energie verfügt. Die wahlrechtlichen Regelungen sehen daher für jede Art der Wahl ein ganzes Bündel technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen vor, die ständiger Überprüfung und gegebenenfalls Verbesserung unterliegen. 42
Auf der Grundlage der in neun Jahren mit dem Einsatz elektronischer Wahlgeräte in Deutschland gesammelten Erfahrungen wird die Bundeswahlgeräteverordnung derzeit evaluiert und eine Novellierung vorbereitet. Die Novelle wird die Sicherheit des Einsatzes von Wahlgeräten weiter steigern. So ist u. a. derzeit vorgesehen,
  • die Versiegelung/Verplombung der Wahlgeräte bzw. allgemein die gerätegebundenen Sicherungen zu verbessern und sie zwingend dauerhaft vorzuschreiben;
  • die Geräte mit einem Begleitheft zur Protokollierung gerätebezogener Informationen und Aktivitäten auszustatten;
  • die dauerhafte sichere Lagerung und den sicheren Transport der versiegelten oder verplombten bzw. allgemein gesicherten Geräte und ihres Zubehörs zu regeln.
43
Bei der Novellierung wird möglichst auch die für dieses Jahr erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Wahlprüfungsbeschwerde zum Einsatz von Wahlgeräten bei der Bundestagswahl 2005 berücksichtigt werden. 44
Zur Prüfbitte gem. 5. Anstrich, ob zukünftig unter Berücksichtigung der derzeitigen Sach- und Rechtslage auch in elektronischer Form eingehende Wahleinsprüche als zulässig erachtet werden sollten. 45
I. § 2 Abs. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WahlPrG) sieht vor, dass der Wahleinspruch schriftlich eingelegt wird. Welche Anforderungen dabei an die Schriftform gestellt werden und ob auch elektronische Wahleinsprüche diesem Erfordernis genügen, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 9 WPrüfG ordnet zwar in einer abschließenden Aufzählung die entsprechende Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) für bestimmte Verfahrensaspekte an, allerdings sind Formvorschriften dabei nicht genannt. Der Wahlprüfungsausschuss hat das Schriftformerfordernis grundsätzlich als gewahrt angesehen, wenn der Einspruch per eigenhändig unterschriebenem Telefax eingegangen ist (Nachweise bei Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Aufl., § 49, Rn. 18). Per E-Mail eingelegte Einsprüche wurden dagegen als unzulässig zurückgewiesen (mit ausführlicher Begründung in Bundestagsdrucksache 15/4250). 46
Eine allgemeine Definition der Schriftform gibt es nicht. Die entscheidenden Kriterien sind jedoch das Merkmal der eigenhändigen Unterschrift und die Verkörperung in einem Schriftstück. Allerdings werden insbesondere vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift allgemein Ausnahmen zugelassen. Entscheidend ist dann jeweils, dass der Urheber des Textes und die Ernstlichkeit seines Antrags aus dem Text hinreichend deutlich hervorgehen. So werden neben dem Brief in verschiedenen Bereichen auch andere Übermittlungsformen als schriftformwahrend angesehen, wie z. B. Telegramm, Telefax, Computerfax oder Funkfax (GemS-OBG NJW 2000, 2340, [2341]; Beschluss des BVerwG vom 30.03.2006, Az. 8 B 8/06; Zöller, Zivilprozessordnung Kommentar, 26. Auflage 2007, § 130 Rn. 18 ff.; Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 81, Rn. 8 f.). 47
II. 1. Im Gegensatz zum Wahlprüfungsrecht ist in vielen anderen Rechtsgebieten ausdrücklich geregelt, welche Formen der elektronischen Kommunikation die Schriftform wahren. Teilweise hat eine Öffnung gegenüber der elektronischen Kommunikation stattgefunden, wobei regelmäßig besondere Anforderungen an das elektronische Dokument gestellt werden. 48
a. Im Wahlrecht wurde durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) in § 54 Abs. 2 BWG klargestellt, dass, soweit in dem Gesetz oder in der Bundeswahlordnung nichts anderes bestimmt ist, vorgeschriebene Erklärungen persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein und bei der zuständigen Stelle im Original vorliegen müssen. Die einzige Regelung zu elektronischer Kommunikation – abgesehen von den elektronischen Schnellmeldungen nach § 71 Abs. 2 BWO – enthält § 27 Abs. 1 BWO, wonach ein Wahlschein u. a. durch „E-Mail oder durch sonstige dokumentierbare Übermittlung in elektronischer Form“ beantragt werden kann. 49
b. Für den Bereich des Zivilrechts regelt § 126 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dass die Schriftform grundsätzlich durch die elektronische Form ersetzt werden kann, es sei denn dies wird durch Gesetz ausgeschlossen. Die elektronische Form ist in § 126a BGB geregelt. Ein Erfordernis der elektronischen Form ist, dass das elektronische Dokument mit einer elektronischen Signatur versehen werden muss. 50
c. Gleiches gilt im Verwaltungsverfahrensrecht (§ 3a Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes [VwVfG]), und in einigen Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts (z. B. § 11 Abs. 6 des Melderechtsrahmengesetzes, § 95a des Markengesetzes). In bestimmten Bereichen des Verwaltungsrechts ist dagegen die einfache E-Mail neben der Schriftform zugelassen (z. B. § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, § 20 des Wehrpflichtgesetzes). Eine einfache E-Mail ist typischerweise dann zulässig, wenn auf die besondere Sicherheit der elektronischen Signatur verzichtet werden kann, weil Missbrauchsfälle und Schadensfolgen unwahrscheinlich sind (Schmitz, NVwZ 2003, 1437 [1439]). 51
d. Im Prozessrecht regeln die jeweiligen Verfahrensordnungen die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form uneinheitlich. Voraussetzung hierfür ist zunächst die Zulassung dieser Form der Kommunikation durch Rechtsverordnung, etwa im Justizkommunikationsgesetz [BT-Drucks. 16/9253, S. 6] (JKomG vom 22. März 2005). Die Einreichung elektronischer Dokumente ist an allen fünf obersten Bundesgerichten (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht), beim Bundespatentgericht (u. a. auf Grundlage des § 125a des Patentgesetzes) sowie bei einigen Landesgerichtsbarkeiten zugelassen. § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung, § 65a des Sozialgerichtsgesetzes und § 52a der Finanzgerichtsordnung sehen dabei zwingend die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur oder eines „anderen sicheren Verfahrens“ vor. § 130a ZPO und § 46b des Arbeitsgerichtsgesetzes enthalten hingegen lediglich eine Sollvorschrift in Bezug auf die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gibt es keine die Schriftform des § 23 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ergänzende Vorschrift zur elektronischen Form. Die Einreichung von verfahrenseinleitenden Schriftsätzen vor dem Bundesverfassungsgericht per E-Mail wird in der Verwaltungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und nach überwiegender Ansicht in der Literatur nicht als schriftformwahrend angesehen (Klein/Sennekamp, NJW 2007, 945, 954; a. A. Hartmann, NJW 2006, 1390 ff.). 52
e. Eine Sonderstellung nimmt in diesem Zusammenhang das Petitionsverfahren ein, als dort trotz eines ausdrücklichen (verfassungs-)rechtlichen Schriftformerfordernisses ohne Sonderbestimmungen zu elektronischer Kommunikation elektronisch eingereichte Petitionen als formwahrend angesehen werden. Artikel 17 des Grundgesetzes (GG) verlangt die Schriftform der Petition, was nach den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages grundsätzlich eine Namensunterschrift verlangt („Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden [Verfahrensgrundsätze]“, 16. Wahlperiode, vom 6. April 2006, Nr. 4 [1]). Unter Ergänzung der Verfahrensgrundsätze hat der Petitionsausschuss allerdings zusätzlich einen Weg zur elektronischen Kommunikation eröffnet, indem über die Homepage des Deutschen Bundestages ein Online-Formular abrufbar ist, mit dem formwirksam eine Petition eingereicht werden kann. Der Petent hat dabei, ebenso wie bei einer Petition per Brief, seine Adresse anzugeben und am Ende des Formulars in bestimmte Textfelder Vor- und Familiennamen einzugeben; diese Textfelder stellen einen Ersatz für die handschriftliche Unterschrift dar. Das ausgefüllte Formular ist dann als Anhang einer E-Mail an den Deutschen Bundestag zu senden. Der Petitionsausschuss erkennt eine E-Mail, die das Online-Formular nicht enthält, nicht als formgerecht an (Verfahrensgrundsätze, Nr. 4 [1]). Allerdings wäre er wohl auch nicht gehindert, einfache E-Mails als ausreichend anzusehen (Schmitz, a. a. O., S. 1439., eingehend zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Petitionen in elektronischer Form, Guckelberger, Neue Erscheinungen des Petitionsrechts – E-Petitionen und öffentliche Petitionen, DÖV 2008, 85 ff.). Das ausgefüllte Online-Formular hat gegenüber einer einfachen E-Mail keine formalen Besonderheiten, sondern sichert lediglich im Interesse der leichteren Bearbeitung der Petition das Vorliegen aller erforderlichen Angaben. 53
2. Der Umgang mit elektronischer Kommunikation ist somit für viele Rechtsgebiete und Verfahrensarten rechtlich geregelt. Nach diesen Regelungen wahren einfache E-Mails die Schriftform grundsätzlich nicht, sie sind jedoch zugelassen, wo die Schutzfunktion einer qualifizierten Signatur entbehrlich ist. Als einzig hier bekannte Ausnahme sind im Petitionsverfahren ohne weitere gesetzliche Regelung trotz Schriftformerfordernisses einfache, wenngleich formal standardisierte, E-Mails zugelassen. 54
III. Bei einer Prüfung, ob das Schriftformerfordernis in § 2 Abs. 3 WahlPrG dahingehend ausgelegt werden kann, dass auch eine einfache E-Mail formwahrend wirkt, muss sowohl das Wesen des Wahlprüfungsverfahrens als auch der Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses in Betracht gezogen werden. 55
1. Bei dem Wahlprüfungsverfahren handelt es sich um ein parlamentarisches Verfahren objektiver Rechtskontrolle, das grundsätzlich nicht auf die Überprüfung der Verletzung subjektiver Rechte abzielt (Kretschmer in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage 2008, Artikel 41, Rn. 4 f.). Es handelt sich um ein gesondertes Verfahren mit verfassungsrechtlichem Charakter, das nicht Artikel 19 Abs. 4 GG unterliegt (BVerfGE 14, 154 <155>; 34, 81 <94>; 66, 232 <234>; Schreiber, a. a. O., § 49 Rn. 1 bis 5 m. w. N.; Lang, Subjektiver Rechtsschutz im Wahlprüfungsverfahren, Dissertation Köln, 1997, S. 347; a. A. Achterberg/ Schulte in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar Bd. II, 5. Auflage 2005, Artikel 41, Rn. 12). Auch stellt es kein gerichtliches Verfahren i. S. v. Artikel 92 GG dar (Achterberg/ Schulte, a. a. O., Artikel 41 Rn. 53), zumal die Abgeordneten des Wahlprüfungsausschusses in eigener Angelegenheit tätig werden, so dass es an der richterlicher Tätigkeit immanenten Neutralität und Distanz fehlt (BVerfGE 103, 111 <139 f>). Das Wahlprüfungsverfahren ist daher weder mit einem Artikel 19 Abs. 4 und 92 GG unterliegenden Gerichtsverfahren noch mit einem Verwaltungsverfahren vergleichbar. Mit dem Petitionsverfahren ist das Wahlprüfungsverfahren insofern vergleichbar, als es sich in beiden Fällen um Rechtswahrung unmittelbar durch den Deutschen Bundestag als Verfassungsorgan handelt. Allerdings dient das Wahlprüfungsverfahren der Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen und der korrekten Zusammensetzung des Deutschen Bundestags. Es stellt insoweit ein spezielles Sicherungsinstrument der Volkssouveränität dar (BVerfGE 85, 148 <158>; Morlok in Dreier, Kommentar zum GG, 2. Auflage 2006, Artikel 41 Rn. 7) und hat damit per se einen Gegenstand von höchster Bedeutung. Auch deswegen ist es, im Gegensatz zum Petitionsverfahren, nach einem gesetzlich geregelten Verfahren durchzuführen. 56
2. Wenn demnach das Wahlprüfungsverfahren mit den anderen unter I. genannten Rechtsgebieten und Verfahren nicht oder nur sehr eingeschränkt vergleichbar ist, so ist dadurch gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass der [BT-Drucks. 16/9253, S. 7] Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses in § 2 Abs. 3 WahlPrG auch durch eine E-Mail erfüllt werden kann. 57
Bei Verfahrensanträgen ist Zweck der Schriftlichkeit insbesondere der Identitätsnachweis, d. h. der Nachweis, dass die Erklärung tatsächlich von dem Antragsteller stammt, und der Nachweis, dass die Erklärung mit seinem Willen in den Rechtsverkehr gebracht wurde und keinen unvollständigen Entwurf darstellt (GemS-OBG, a. a. O). Verfahrensvorschriften sind jedoch kein Selbstzweck und Ausnahmen sind daher möglich, sofern sich der Zweck der Vorschrift auf andere Weise erfüllen lässt (BVerwG, NJW 1995, 2121 [2122]). Grundsätzlich kann eine E-Mail die Funktionen einer Schriftform wohl ebenso erfüllen wie ein Brief oder ein Telefax. Auch bei diesen Übertragungsverfahren besteht immer die Gefahr, dass die enthaltene Erklärung nicht von dem angegebenen Verfasser herrührt oder das Verfahren nicht ernsthaft betrieben wird. Eine handschriftliche Unterschrift beseitigt diese Gefahren jedenfalls nicht. Dass bei einer E-Mail (zunächst) keine dauerhafte Wiedergabe in einem Schriftstück vorliegt, dürfte in Anbetracht der technischen Entwicklung ohne Bedeutung sein. Auch Telefaxe werden heutzutage zunächst elektronisch gespeichert, und können dann, ebenso wie eine E-Mail, ausgedruckt werden. Die Existenz bzw. das Absenden der E-Mail kann der Absender unter Umständen sogar durch die Einstellungen in seinem E-Mail-Programm nachweisen, was bei einem einfachen Brief in der Regel nicht der Fall ist. Auch in dieser Hinsicht ist eine E-Mail nicht weniger sicher als ein Brief oder Telefax. Dort trägt der Absender ebenfalls das Risiko, dass sein Schreiben nicht bzw. nicht rechtzeitig ankommt. 58
IV. Trotz des Umstandes, dass es sich bei der Wahlprüfung um ein Verfahren sui generis handelt, dürfte eine E-Mail, die den Absender eindeutig erkennen lässt, in rechtlicher Hinsicht die wesentlichen Funktionen des Schriftformerfordernisses erfüllen. Es erscheint daher möglich, das Formerfordernis in § 2 Abs. 3 WahlPrG dahingehend auszulegen, dass es durch einen Wahleinspruch per E-Mail grundsätzlich gewahrt wird. Sofern sich der Wahlprüfungsausschuss dieser Auffassung anschließt, wäre eine entsprechende Klarstellung im Gesetz nahe liegend. 59
Zur Prüfbitte gem. 6. Anstrich, ob und ggfs. wie die Schulung der Wahlvorstände über den ordnungsgemäßen Ablauf der Urnenwahl und die anschließende Ermittlung des Wahlergebnisses verbessert werden könnte. 60
§ 6 Abs. 5 BWO bestimmt, dass die Gemeindebehörde die Mitglieder des Wahlvorstandes vor der Wahl so über ihre Aufgaben zu unterrichten hat, dass ein ordnungsmäßiger Ablauf der Wahlhandlung sowie der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses gesichert ist. Nach Ansicht des Bundesministeriums des Innern ist die Rechtsvorschrift hinreichend klar gefasst. 61
Die Gemeinden kommen der Aufgabe der Schulung der Wahlhelferinnen und -helfer gewissenhaft nach. Allerdings muss bei der Planung von Schulungen berücksichtigt werden, dass die Wahlhelfer ein Ehrenamt ausüben und hierbei nicht über Gebühr belastet werden sollten. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der immer schwerer werdenden Gewinnung von Wahlhelfern. Die Schulung kann sich daher nicht mit allen nur denkbaren Fallkonstellationen befassen, sondern muss sich auf die erwartbaren Problemstellungen beschränken. Bei speziellen Sonderfragen können am Wahltag die jeweiligen Gemeindebehörden oder Kreis-, Landes- und Bundeswahlleiter telefonisch kontaktiert werden. Zum anderen richtet sich der Schulungsbedarf nach dem Vorwissen der Wahlhelfer, so dass umfangreiche Schulungen nicht immer erforderlich sind (vgl. z. B. den in Anlage 17 zu Bundestagsdrucksache 15/5700 geschilderten Fall). 62
Das Bundesministerium des Innern wird diese Prüfbitte dennoch zum Anlass nehmen, bei den Gesprächen mit dem Bundeswahlleiter und den Landeswahlleitern vor der nächsten Bundestagswahl auf das Erfordernis einer gründlichen und effizienten Schulung der Wahlhelfer hinzuweisen. 63
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Zugeleitet mit Schreiben des Innern vom 14. Mai 2008 gemäß Beschluss vom 5. Juli 2007 (Bundestagsdrucksachen 16/1800 und 16/5700).

 


eingetragen von Matthias Cantow