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Deutscher Bundestag

15. Wahlperiode

180. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 15.06.2005


Im Kontext stehende Entscheidungen: WP 215/02
und Übersichten: Wahlprüfung, Entscheidungen 2000–heute

[Plenarprotokoll 15/180, S. 16999] Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C)
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes zur Korrektur der Grundmandatsklausel (Grundmandatskorrekturgesetz)
Drucksache 15/4718
– Drucksache 15/5664 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Barbara Wittig
Thomas Strobl (Heilbronn)
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler
1
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. 2
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich gerne eine Delegation des griechischen Parlaments auf der Besuchertribüne begrüßen. Wir freuen uns, dass Sie hier sind, und wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt in Berlin.
(Beifall)
(D) 3
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion. 4
Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über einen Gesetzentwurf der Unionsfraktionen mit dem Ziel, die Zahl der Grundmandate von drei auf fünf anzuheben. Ich will gleich vorab sagen, dass wir diesem Begehren nicht zustimmen werden. Wir haben darüber an anderen Stellen ausreichend gesprochen. Die Argumente sind relativ einfach zu gewichten. 5
Wir haben die Grundmandatsklausel nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht verändert. Diese Tatsache ist in den 90er-Jahren Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens gewesen. 1996/97 hat es dazu eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gegeben, die den Fachleuten unter den Parlamentariern bekannt ist. Ich zitiere eine Entscheidung aus dem 95. Band, in dem das Gericht ausgeführt hat, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber nach der Vergrößerung des Wahlgebietes durch die Wiedervereinigung Deutschlands die Anzahl der Grundmandate nicht erhöht hat. 6
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17000] Das ist eine überzeugende Ableitung, die das Verfassungsgericht vorgenommen hat. Dem ist heute von der Sache her nichts hinzuzufügen. Verfassungsrechtlich ist es keinesfalls geboten, die Grundmandatsregelung zu ändern. (A) 7
Ich räume ein: Es wird verfassungsrechtlich zulässig sein, weil der Gesetzgeber an dieser Stelle einen weiten Ermessensspielraum hat. Gleichwohl sage ich: Wir vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion wollen bei der bisherigen Regelung bleiben, weil jede Veränderung der Grundmandatsklausel es Parteien, die in der Region stark sind, erschweren würde, in das Parlament zu kommen. Es ist nicht zu erkennen, welchen Sinn es machen sollte, das regional starken Parteien durch eine Änderung der Grundmandatsklausel zu erschweren. 8
Es gibt – dies zum Schluss – noch einen ganz wichtigen Punkt, der gegen diesen Gesetzentwurf spricht: Im Gesetzentwurf steht, dass das Gesetz – wenn man hier eine Mehrheit hätte – zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten sollte. Nun wissen wir alle, dass möglicherweise schon sehr bald vorgezogene Bundestagswahlen stattfinden. Vor diesem Hintergrund ist es nach meiner festen Überzeugung nicht darstellbar, dass wir solch einen Gesetzentwurf jetzt mit Mehrheit verabschieden. Das hätte nicht nur ein Geschmäckle, sondern eher den Geruch von Manipulation. 9
Ich betone: Das ist sicher nicht die Absicht der Antragsteller gewesen, weil man diese Entwicklung natürlich nicht voraussehen konnte. Nach wie vor steht das aber so im Entwurf; auch deshalb ist dieses Ansinnen nicht zu akzeptieren. (B) 10
Man wird sicherlich in der nächsten Wahlperiode erneut über dieses Thema zu reden haben. Ich glaube, die überwiegenden Gründe sprechen dafür, dass der Gesetzgeber von seinem Ermessen dahin gehend Gebrauch macht, es bei der Grundmandatsklausel, die wir jetzt im Bundeswahlgesetz haben, zu belassen. 11
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
12
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Präsidium bedankt sich für die mustergültige Unterschreitung der Redezeit, was so selten vorkommt, dass das nicht unkommentiert geschehen sollte.
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Präsident, ich melde mich gleich noch mal!)
– Diese Nebenwirkung war weder beabsichtigt noch würde sie zu einer erneuten Belobigung führen.
13
Jetzt hat das Wort der Kollege Thomas Strobl für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): (C)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem an Leidenschaft kaum zu übertreffenden Vortrag des Kollegen Dr. Wiefelspütz
(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie haben mich schon anders erlebt, ja!)
möchte ich unseren Gesetzentwurf gerne begründen.
14
Eine Partei kommt nur in den Deutschen Bundestag, wenn sie entweder mehr als 5 Prozent der Stimmen erhält oder drei Direktmandate erringt. Diese Sperrklauseln – darüber haben wir, so glaube ich, einen ganz großen Konsens hier im Hause – haben sich grundsätzlich bewährt, weil sie einer Zersplitterung der Parteienlandschaft entgegenwirken. Allerdings besteht seit der deutschen Einheit eine aus unserer Sicht bedenkliche Diskrepanz zwischen der Fünfprozentklausel und der so genannten Grundmandatsklausel, die, wie gesagt, den Einzug einer Partei dann ermöglicht, wenn sie drei Direktmandate in Deutschland erzielt. 15
Ich will einige wenige Zahlen nennen: Bei der Wahl 1998 konnten die drei Direktmandate mit 180 000 Stimmen erzielt werden. Um über die Fünfprozenthürde zu kommen, waren mehr als 2,3 Millionen Stimmen erforderlich. Dies ist eine gewaltige Diskrepanz. Anders gesagt: Um drei Direktmandate zu erzielen, bedarf es 0,6 Prozent der Stimmen, um die Fünfprozenthürde zu überwinden, sind logischerweise 5 Prozent erforderlich. 16
Die Proportionierung zwischen Grundmandatsklausel und Fünfprozentklausel stammt aus der Zeit vor der Einheit Deutschlands. Mit der Wiedervereinigung hat sich die Anzahl der Wahlberechtigten um ein knappes Drittel erhöht. Ebenso stieg die Anzahl der Wahlkreise deutlich an. In der alten Bundesrepublik gab es 248 Wahlkreise. Die Zahl stieg nach der Wiedervereinigung auf 328 an und wurde dann durch die Verkleinerung des Deutschen Bundestages zur letzten Bundestagswahl auf 299 gesenkt, ist aber immer noch deutlich größer – 51 Abgeordnete – als vor der deutschen Wiedervereinigung. Die Zahl der Grundmandate blieb jedoch unverändert; es sind immer noch drei. Damit klaffen Grundmandatsklausel und Fünfprozenthürde unserer Auffassung nach unverhältnismäßig auseinander bzw. – anders ausgedrückt – die Fünfprozentklausel kann durch die Grundmandatsklausel leicht unterlaufen werden. Daher ist eine Anpassung der Zahl der Grundmandate an die vor der Wiedervereinigung geltenden Verhältnisse nach unserer Auffassung richtig. (D) 17
Die Rechtsextremisten haben übrigens die Möglichkeit erkannt, verehrter Kollege Dr. Wiefelspütz, an der Fünfprozentklausel vorbei in den Bundestag einzuziehen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)
Die NPD hat mit Blick auf die Bundestagswahl einen Strategiewechsel vorgenommen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Ich zitiere aus der Zeitung „Die Welt“ vom 30. Mai dieses Jahres:
18
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17001]Die NPD will bei der vorgezogenen Bundestagswahl über Direktmandate ins Parlament einziehen. Die Rechtsextremisten peilen nicht mehr das Überspringen der Fünfprozenthürde an. „Wir konzentrieren uns auf den Erfolg durch drei Direktmandate“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende …
(A)
Wir möchten auch politisch nicht, dass drei Wahlkreise gewonnen werden und dann plötzlich 40 bis 50 extremistische Abgeordnete für eine Partei im Deutschen Bundestag sitzen, deren Wahlergebnis bei etwa 4 Prozent liegt. Das wollen wir nicht.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie auf andere Weise verhindern als per Gesetz!)
Wir wollen nicht, dass Parteien des rechten Randes – oder auch des linken, Herr Ströbele – Einzug in den Deutschen Bundestag halten. Sie müssen sich einmal bewusst machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, um welche politischen Parteien es sich dabei handelt. Das sind schließlich keine Bürgerrechtsbewegungen; wir reden über extremistische, verfassungsfeindliche und populistische Parteien des rechten und linken Randes. Deswegen halten wir es für geboten, die Anzahl der erforderlichen Grundmandate anzuheben, um die Diskrepanz in den Proportionen, bezogen auf die Fünfprozentsperrklausel, zu verringern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
18
Wohlgemerkt: Es geht uns nicht um eine grundsätzliche Änderung oder gar um die Abschaffung der bewährten Regelungen. Wir sind völlig davon überzeugt, dass die Regelungen im Grundsatz richtig sind. Wir wollen lediglich eine Anpassung an die Verhältnisse im größer gewordenen, wiedervereinigten Deutschland. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs. (B) 19
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
20
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Josef –
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er will nicht!)
– Damit werden wir fertig. – Das Wort hat der Kollege Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.
21
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strobl, Sie wollen die Zahl der Grundmandate von drei auf fünf erhöhen. Eine Partei soll erst dann entsprechend ihrem Stimmenverhältnis in den Deutschen Bundestag einziehen können, wenn sie mindestens fünf Mandate erringt. Sie haben in diesem Zusammenhang eine Reihe von Zahlen genannt. Zum Beispiel haben Sie angegeben, dass die Zahl der Wahlberechtigten um 29 Prozent gestiegen sei, wodurch eine höhere Zahl von Grundmandaten erforderlich werde. 22
Ich sage Ihnen – Ströbele sagt Strobl –:
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der kleine Strobl!)
Das ist keine rein rechnerische Aufgabe; es ist keine Frage der Mathematik, sondern der Demokratie.
(Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)
Die Demokratie hängt nicht von solchen Zahlen ab.
(C) 23
Die vielen Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes haben sich bei der bestehenden „Nicht-Regelung“ etwas gedacht. Sie sind gar nicht davon ausgegangen, dass sich die erforderlichen Stimmenzahlen zur Überwindung von Grundmandats- und Fünfprozentklausel entsprechen müssen, Sie haben schlicht einen eigenen, anderen Weg zur Berücksichtigung der Wählerstimmen einer Partei im Deutschen Bundestag zugelassen. Daran reden Sie vorbei. Die Zahl der Mandate spielt dabei keine Rolle.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir reden über das Bundeswahlgesetz, nicht über das Grundgesetz! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wo steht denn das in der Verfassung, Herr Ströbele? – Gegenruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der hat ja gar keine Ahnung! Wir reden über das Bundeswahlgesetz! Das hat doch nichts mit den Vätern und Müttern des Grundgesetzes zu tun! Er hätte den Antrag mal lesen sollen!)
24
Deshalb zielt, wenn ich es richtig sehe, Ihr Antrag auf Änderung des § 6 des Bundeswahlgesetzes
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Nicht das Grundgesetz!)
auf eine politische Auseinandersetzung. Sie haben das auch angedeutet: Sie wollen nicht, dass kleinere Parteien, die beispielsweise mit 4,9 Prozent knapp an der Fünfprozenthürde scheitern, durch das Erringen von drei Grundmandaten in den Deutschen Bundestag kommen. Der Stimmenanteil einer solchen Partei soll also keine Berücksichtigung finden. Sie versprechen sich als große Partei davon eine komfortablere Mehrheit, möglicherweise sogar die absolute Mehrheit im Deutschen Bundestag. Dieses Ansinnen einer großen Partei kann man durchaus verstehen. Aber Sie sollten sagen, dass das der eigentliche Hintergrund ist.
(D)
Es geht also nicht um Forderungen nach demokratischer Repräsentation. Sonst müsste man auch darüber nachdenken, ob die demokratische Legitimation überhaupt noch ausreichend ist, wenn beispielsweise „nur“ 70 Prozent, 50 Prozent oder sogar weniger der Bevölkerung zur Wahl gehen und die im Bundestag vertretene Mehrheit vielleicht nur durch ein Drittel der Wahlbürger – manchmal ist es noch weniger – legitimiert ist. Ich bin der Meinung, das ist auch dann der Fall; denn das ist nicht alleine eine Frage der Zahlen. 25
Dieser Regelung liegt nämlich ein ganz anderer Ansatz zugrunde, nämlich der – insofern hat das sehr wohl etwas mit dem Grundgesetz zu tun –, dass eine Partei, auch wenn sie an der Fünfprozenthürde scheitert, 26
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17002] gleichwohl eine Legitimation erringen kann, in den Bundestag zu kommen. Sie wissen ja, dass die Fünfprozentklausel bei uns umstritten ist. Die Grünen sind immer dafür gewesen, diese Hürde zu senken, weil sie stets gesagt haben: Das ist zu hoch, man sollte sich mit einer niederen Hürde begnügen. Aber das ist heute nicht Gegenstand der Diskussion. (A)
Die Grundüberlegung für diese andere Legitimation ist: Wenn eine Partei in einigen Wahlkreisen so stark ist, dass sie die Mehrheit der dortigen Bevölkerung repräsentiert, dann soll die Partei insgesamt Berücksichtigung finden; denn dann vertritt diese Partei so wichtige politische Inhalte, dass diese auch im Bundestag zur Sprache kommen sollten. Dieser Weg ist richtig, und zwar unabhängig davon, wie groß die Bevölkerung ist und wie hoch die Zahl der Wählerstimmen für die Grundmandate – egal, ob drei, vier oder fünf – ist. Wenn eine Partei drei Grundmandate erringt, zeigt dies, dass die entsprechende Partei in bestimmten Teilen der Bevölkerung hinreichend stark verankert ist. Nach dem, was der Wählerwille ihr an Stimmen und dementsprechend an Sitzen zubilligt, ist sie deshalb im Bundestag vertreten. 27
Wir setzen uns deshalb für den Erhalt der drei Grundmandate ein. Wir plädieren aber eher für eine Senkung der Fünfprozenthürde; denn ich glaube nicht, dass unsere Demokratie gefährdet wäre, wenn noch eine weitere Partei – die zwar nicht von 5 Prozent der Wähler gewählt worden ist, die aber drei Grundmandate errungen hat – im Deutschen Bundestag vertreten wäre. 28
Ihre Intention ist nicht unsere. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. Wir meinen, dass wir damit der Demokratie und den unterschiedlichen Ansätzen der demokratischen Wahl nur Gutes antun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
(B) 29
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen, FDP-Fraktion. 30
Jörg van Essen (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Bundestagsfraktion teilt die Auffassung, die vonseiten der SPD-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vertreten wird.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Herzlichen Glückwunsch! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist aber nicht gut!)
– Das ist so. Manchmal gibt es offensichtlich Gründe, die dazu führen, dass man selbst bei dieser Koalition zu einer gleichen Auffassung kommt. Wenn Sie meine Argumente hören, wird es Ihnen vielleicht sogar einleuchten, warum das so ist.
31
Herr Kollege Strobl, es hat mich sehr überrascht, dass Sie hier auf das Stimmenvolumen hingewiesen haben, das notwendig ist, um 5 Prozent der Stimmen auf der einen Seite und drei Grundmandate auf der anderen Seite 32
zu erreichen. Wie Sie wissen, hat sich das Bundesverfassungsgericht mit diesen unterschiedlichen Stimmenvolumen befasst und eindeutig festgestellt, dass das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Das ist eine ganz wichtige Aussage, die ich deshalb an den Anfang meiner Überlegungen stelle. (C)
Natürlich hat es seit der deutschen Wiedervereinigung Veränderungen gegeben; das weiß ich ebenfalls. Aber ich bin der Auffassung, dass schon die geltende Hürde außerordentlich hoch ist. Dass sie so hoch ist, zeigt sich auch in diesem Hause. Wir haben insgesamt vier Fraktionen, von denen es meiner eigenen nicht gelungen ist, ein solches Mandat zu erringen, obwohl die Partei offensichtlich Gewicht hat und entsprechende Hürden wie die Fünfprozentklausel überschreiten konnte. 34
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege van Essen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Strobl? Jörg van Essen (FDP):
Selbstverständlich gern.
35
Thomas Strobl(Heilbronn) (CDU/CSU): Ich bedanke mich, Herr Kollege van Essen. – Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Wir haben nie behauptet, die derzeitige Regelung sei verfassungsrechtlich nicht in Ordnung. Sie haben völlig Recht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu geäußert und dem Gesetzgeber einen – ich sage es jetzt einmal mit meinen Worten – sehr weiten Ermessensspielraum zugewiesen. Das heißt aber auch, dass wir als Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit hätten, die Zahl der Grundmandate auf fünf anzuheben. Weder ist also die derzeitige Lage verfassungswidrig, noch ist unser Antrag mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen; wir als Abgeordnete haben ein gesetzgeberisches Ermessen und in diesem Rahmen eine politische Entscheidung zu fällen. Ich frage, ob Sie das zur Kenntnis nehmen, damit wir nicht aneinander vorbei diskutieren. (D) 36
Jörg van Essen (FDP): Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir aneinander vorbei diskutieren. Mir war nur aufgefallen, dass Sie besonders intensiv auf diese Diskrepanz hingewiesen haben und deshalb bei Zuhörern der Eindruck entstehen konnte: Das kann doch rechtlich nicht stimmen. Es gab eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht und diese Überprüfung hat klar und eindeutig ergeben, dass diese Diskrepanz verfassungsmäßig ist. 37
Sie haben allerdings Recht mit der Feststellung – und das gestehe ich Ihnen ganz selbstverständlich zu –, dass wir ein gesetzgeberisches Ermessen haben. Ich versuche im Augenblick zu begründen, warum wir der Meinung sind, dass wir von diesem gesetzgeberischen Ermessen nicht Gebrauch machen sollten. Wir meinen, es sei klug, das nicht zu tun. 38
Jetzt würde ich gern in meinen Ausführungen fortfahren. Tatsache ist: Wenn eine politische Gruppierung irgendwo drei Grundmandate erzielt – insbesondere auch 39
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17003] gegen die großen Parteien, die normalerweise in den Wahlkreisen die Direktmandate erringen –, dann zeigt das, dass sie ein gewisses politisches Gewicht hat. Für uns ist das ein ganz wichtiger qualifizierter Minderheitenschutz. Demokratie lebt auch davon, dass Minderheiten sich im Parlament wiederfinden können, wenn sie ein gewisses Gewicht erreicht haben. (A)
Die Vergangenheit und die bisherige Praxis in der Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass diese Grundmandatsklausel offensichtlich notwendig war. Sie hat beispielsweise bei der PDS dazu geführt, dass sie 1998 wegen dieser Klausel in einer größeren Stärke in den Bundestag einziehen und sich hier artikulieren konnte. Bei der letzten Wahl ist das nicht gelungen. Deshalb gehört es zum Spiel der Demokratie, auch den Kräften, die in einzelnen Wahlkreisen offensichtlich so viele Menschen für sich begeistern können, dass sie die Mehrheit der Erststimmen in mindestens drei Wahlkreisen bekommen, die demokratische Mitgestaltungsmöglichkeit zu geben. Das können auch Parteien des politischen Randes sein. Dann müssen wir uns politisch mit ihnen auseinander setzen. 40
Bei meiner letzten Bemerkung geht es, wie auch beim Kollegen Wiefelspütz, um die Frage des Stils; uns Freien Demokraten ist das ganz besonders wichtig. Man kann eine solche Änderung nicht unmittelbar vor einer Bundestagswahl vornehmen, insbesondere dann nicht, wenn verschiedene Gruppierungen darauf hoffen, über diesen Weg in den Bundestag zu kommen.
(Beifall bei der FDP)
41
Das wäre, wie ich finde, schlechter Stil. Das ist Ihnen nicht vorzuwerfen, weil Sie die neueren Entwicklungen zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht ahnen konnten. Dennoch: Auch deshalb sollte man Ihrem Entwurf heute nicht zustimmen. (B) 42
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie Recht!)
43
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau. 44
Petra Pau (fraktionslos):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeswahlgesetz sieht zwei Wege vor, über die eine Partei in den Bundestag einziehen kann. Entweder sie überwindet mit den Zweitstimmen die Fünfprozenthürde oder mindestens drei Kandidaten dieser Partei gewinnen dank der so genannten Erststimmen ihre Wahlkreise direkt. Das Letztere nennt man Grundmandatsklausel. 45
CDU und CSU wollen sie ändern. Geht es nach ihrem Willen, müssten künftig mindestens fünf Direktmandate errungen werden, das heißt, in fünf Wahlkreisen müsste die jeweilige Kandidatin oder der jeweilige Kandidat die Mehrheit der abgegebenen Wählerstimmen auf sich vereinigen, damit die so erfolgreiche Partei Mitglied des Bundestages werden kann. Diesen Vorschlag lehnt die PDS erwartungsgemäß ab. 46
Gesine Lötzsch und ich haben jetzt fast drei Jahre lang als direkt gewählte Abgeordnete hier im Bundestag gearbeitet. Alle Versuche, unsere Rechte als direkt gewählte Abgeordnete zu stärken und unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern, sind an der Mehrheit des Bundestages gescheitert. (C) 47
Die Logik, die in diesen Debatten immer wieder gegen uns ins Feld geführt wurde, ist ganz übersichtlich: Wir zwei seien keine Fraktion und dürften daher auch nicht die gleichen Rechte wie der direkt gewählte Abgeordnete Ströbele oder der direkt gewählte Abgeordnete Strobl für uns beanspruchen. Auch diese Logik kippt übrigens in ihr Gegenteil, wenn Sie einmal die Sicht des direkt gewählten Abgeordneten oder aber die Sicht der Wählerinnen und Wähler, die uns mit Mehrheit in diesen Bundestag geschickt haben, einnehmen; denn eigentlich sind diese Wählerinnen und Wähler die Benachteiligten. Sie werden zweitklassig behandelt und sie würden erneut benachteiligt, wenn Sie sich nun mit Ihrem Antrag durchsetzten und die Grundmandatsklausel auf fünf direkt gewählte Abgeordnete angehoben würde. 48
Dies zeigt: Es geht der CDU/CSU nicht um Recht, sondern doch eher um Ungestörtheit in Zukunft. Das kann man natürlich nicht in die Begründung eines Gesetzentwurfs schreiben. Also hat die CDU/CSU gemeint, sie wolle aus der Weimarer Republik Lehren ziehen und verhindern, dass links- und rechtsextremistische Splitterparteien über die Grundmandatsklausel – Sie nennen sie in Ihrem Gesetzesentwurf „Trojanisches Pferd“ – in den Bundestag gelangen. Ich finde das absurd. 49
Seit 1990 hat nur eine Partei von der Grundmandatsklausel profitiert: Das war 1994 die PDS. Es gab seither keine andere Partei und es gibt derzeit auch keine andere Partei, die drei oder mehr Grundmandate gewinnen könnte und die Fünfprozenthürde mehr oder weniger knapp verfehlt. Es geht Ihnen also in Wahrheit darum, den Wählerinnen und Wählern der PDS zu schaden.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nehmen Sie sich nicht so wichtig!)
Ich finde, das zeugt von wenig Souveränität, noch dazu kurz vor einer Wahl, die Sie ja gewinnen wollen, wenn ich das alles richtig verstehe.
(D) 50
Dass die PDS im Bundestag das nicht unwidersprochen lassen kann, versteht sich. Wir werden aber diesen Versuch von CDU/CSU, Wählerstimmen konkurrierender Parteien kleinzurechnen, nicht hier in diesem Raum belassen. Vor allem aber wird die PDS nun erst recht um mindestens fünf Bundestagswahlkreise kämpfen und gewinnen. 51
Zum Schluss: Sie hätten es in der Hand gehabt, in dieser knappen Zeit, die uns als 15. Bundestag noch verbleibt, über wichtigere Fragen wie Arbeitsmarktpolitik oder die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu sprechen – schade eigentlich. 52
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17004]Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Pau, um Missverständnisse bei den Zuhörern auszuschließen, muss ich nun doch darauf hinweisen, dass es nach unserer Verfassung und nach der Geschäftsordnung des Bundestages ganz sicher keine unterschiedlichen Rechte für jeweils direkt gewählte Abgeordnete mit oder ohne Fraktionszugehörigkeit gibt.
(Petra Pau [fraktionslos]: Oh doch!)
Mit Blick auf Redezeiten gibt es ganz gewiss eine Privilegierung von nicht Fraktionen angehörenden direkt gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
(A) 53
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
54
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die Debatte, die wir am heutigen Tag führen, könnte angesichts der mit großer Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Bundestagswahl am 18. September nicht aktueller sein. Ich möchte an dieser Stelle gleich zu Beginn eines festhalten: Dieser Gesetzentwurf ist von uns zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, als noch überhaupt nicht absehbar war, dass es möglicherweise am 18. September Neuwahlen geben wird.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!)
55
Es geht bei dieser Debatte zum einen darum, wie gerecht und wie pragmatisch unser Bundeswahlgesetz ist. Es geht aber vor allem auch darum, inwiefern die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit, die Chancengleichheit der politischen Parteien und der gleiche Erfolgswert von Stimmen zu wahren sind. (B) 56
Ich muss schon sagen, ich bringe der Haltung der FDP eine gewisse Verwunderung entgegen. Sie wissen doch, dass der PDS 1994 258.000 Erststimmen gereicht haben, um vier Direktwahlkreise zu gewinnen. Der Erfolgswert einer FDP-Stimme lag damit bei nur einem Zehntel des Erfolgswerts einer PDS-Stimme.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!)
Offenbar müssen wir als Unionsfraktion im Vorgriff auf die spätere schwarz-gelbe Koalition ihre Interessen schon mit vertreten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die begreifen es nicht mal!)
57
Es geht um die entscheidende Frage, ob die beiden Sperrklauseln im Bundeswahlgesetz – daraus ergibt sich, welche Parteien in den Bundestag einziehen –, nämlich die 5-Prozent-Klausel und die Drei-Grundmandate-Klausel, noch gleichberechtigt sind – vor dem Hintergrund, 58
dass beispielsweise bei der Bundestagswahl 1998 bereits 180 000 Erststimmen ausgereicht haben, um drei Wahlkreise direkt zu gewinnen, hingegen über 2,3 Millionen Zweitstimmen erforderlich waren, um über die 5-Prozent-Klausel zu kommen, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass in allen Wahlkämpfen von allen Parteien behauptet wird, die Zweitstimme sei die entscheidende Stimme, die Zweitstimme sei die Kanzlerstimme. Es ist offenbar doch nicht so. Der Erfolgswert einer Erststimme ist wesentlich höher als der einer Zweitstimme. Deswegen gilt es, entsprechende Änderungen vorzunehmen. (C)
Lieber Kollege Ströbele, es geht nicht darum, dass die Union einen Machtanspruch verteidigen will oder unliebsame Parteien sozusagen aus dem Parlament drängen will, es geht auch nicht darum, dass wir Parteien, die nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreichen, den Einzug in den Bundestag verwehren wollen, es geht um die interessante Frage, ob eine Splitterpartei – ich sage das ganz bewusst –, die gerade mal drei Wahlkreise direkt erringt, wirklich eine Partei von besonderer politischer Kraft ist, wie es das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 10. April 1997 formuliert hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
59
In Deutschland gibt es derzeit 299 Wahlkreise. Drei Wahlkreise sind also ungefähr 1 Prozent der Wahlkreise. Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass eine Partei, die nur 1 Prozent der Wahlkreise in Deutschland direkt gewinnt, eine Partei von besonderer politischer Bedeutung ist. 60
(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drei! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP hat gar keine! Keine Bedeutung!)
Das ist die grundsätzliche Frage, die wir uns stellen müssen.
(D)
Deshalb ist eine Anpassung der Drei-Grundmandate-Klausel unbedingt erforderlich; statt drei sollten es fünf Grundmandate sein. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass es natürlich auch um die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments geht. Uns allen sind die schrecklichen Vorkommnisse in der Weimarer Republik in bester Erinnerung – in Anführungszeichen –, als das Parlament häufig nicht mehr handlungsfähig war. Auch beim Parlament in seiner jetzigen Verfassung ist fraglich, ob die Funktionsfähigkeit noch gegeben ist. 61
[Plenarprotokoll 15/180, S. 17005] Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Sie nur auffordern, unseren Gesetzentwurf zu unterstützen, und hoffe auf Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
(A)62
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache. 63
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung des Bundeswahlgesetzes zur Korrektur der Grundmandatsklausel auf Drucksache 15/4718. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/5664, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?
(Zurufe von der CDU/CSU: Das war die Mehrheit!)
Der Gesetzentwurf ist ganz ohne Zweifel mit Mehrheit angenommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Nein! Nein! – Zuruf von der CDU/CSU: Die FDP hat sich enthalten! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Schlussabstimmung, Herr Präsident!)
64
Zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Küster zu Wort gemeldet. Er erhält selbstverständlich das Wort. 65
Dr. Uwe Küster (SPD):
Das ist schön, Herr Präsident. – Weil das unsicher ist, beantrage ich, dass die Stimmen richtig schön ausgezählt werden. (B) 66
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das können wir gerne tun, zumal wir eine übersichtliche Besetzung haben.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Entsprechend der Geschäftsordnung haben wir da nur eine Regel: bei Unsicherheit Hammelsprung! Ich möchte gerne, dass sie eingehalten wird! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es muss geschätzt werden oder, wenn Unsicherheit herrscht, ein Hammelsprung durchgeführt werden! – Gegenruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Es gibt doch keine Unsicherheit! Es ist doch eindeutig! Es ist doch eine Schau, die Sie hier abziehen!)
– Es besteht doch gar kein Grund zur Aufregung.
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Präsidium herrscht Uneinigkeit!)
– Nein, nein.
67
Wir haben doch hier im Unterschied zu Hammelsprüngen, bei denen die Feststellung der tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse etwas komplizierter ist, eine überschaubare Besetzung. Wir haben jetzt gerade noch einmal nachgezählt. Unter Berücksichtigung auch mancher 68
Flügeladjutanten, die sich nicht gleich im Blickfeld befanden, ergibt sich als tatsächliches Mehrheitsverhältnis: 19 Ja-Stimmen zu 22 Nein-Stimmen. Damit müsste eigentlich jede weitergehende Ambition des Geschäftsführers der SPD-Fraktion erledigt sein.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich sehe im Präsidium keine Einigkeit! Das sieht man von hier aus eindeutig! – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ihr habt doch jetzt gewonnen!)
– Da der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD mit der Feststellung des amtierenden Präsidenten, dass sich nach genauem Nachzählen eine Mehrheit für die Ablehnung ergeben hat, nicht einverstanden ist, beziehe ich mich gerne auf die von ihm vermutete Unstimmigkeit im Präsidium und lasse das Stärkeverhältnis durch Hammelsprung feststellen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Küster, Parlamentarischer Geschäftsführer h. c.!)
(C)
Wir werden also die Sitzung für einige Minuten unterbrechen und dann den gewünschten Hammelsprung durchführen. Es gibt dazu ja in dieser Legislaturperiode nicht mehr ganz so viele Gelegenheiten. Der Hammelsprung gehört offenkundig zu den Aktivitäten, die man sich von Zeit zu Zeit gönnen muss. Um den Hammelsprung durchführen zu können, müssen alle Mitglieder des Hauses den Saal verlassen und sich in der bekannten Weise dieser eindrucksvollen Zeremonie im Foyer aussetzen. 69
Ich unterbreche die Sitzung.
(Unterbrechung von 15.37 bis 15.48 Uhr)
(D) 70
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. 71
Die Schriftführer geben mir das Zeichen, dass die Türen besetzt sind und dass wir mit der Durchführung des Hammelsprungs beginnen können. Ich eröffne hiermit die Abstimmung. 72
Ich bitte die Schriftführer an den Türen, mir einmal zu signalisieren, ob sich noch Kollegen in der Lobby aufhalten. – Ich mache darauf aufmerksam, dass wir in zwei Minuten die Abstimmung abschließen werden. Darauf sollten sich bitte sowohl die Fraktionen als auch die Schriftführer einstellen. 73
Ich bitte nun die Schriftführer, die Türen zu schließen und das Abstimmungsergebnis festzustellen. 74
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Abstimmung über den Gesetzentwurf in zweiter Lesung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 157 Mitglieder des Hauses, mit Nein 268.
(Beifall bei der SPD)
Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt. Nach unserer Geschäftsordnung entfällt somit die weitere Beratung.
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[Plenarprotokoll 15/180, S. 17006] Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die wieder in ihre Ausschüsse wollen und müssen, den Plenarsaal möglichst zügig zu verlassen, damit ich den nächsten Tagesordnungspunkt nicht nur aufrufen kann, sondern wir über das Thema auch unter angemessenen Bedingungen verhandeln können. (A) 76
Inzwischen sind auch wieder hinreichend Sitzplätze für alle vorhanden,
(Heiterkeit)
von denen ich Gebrauch zu machen bitte, weil dies die Übersicht in der Debatte enorm fördert.
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eingetragen von Matthias Cantow