Zweitstimme

[Leitfaden 2013]

Leitfaden zur Zweitstimme

Anders als es der irreführende Name vermuten lässt, ist bei der Bundestagswahl die Zweitstimme im Vergleich zur Erststimme die wesentlich wichtigere Stimme.

Regelfall

Geben Sie die Zweitstimme an die politisch bevorzugte Partei Ihrer Wahl (Erstpräferenz).

Ausnahmen

  1. Fünfprozenthürde
  2. Stimmensplitting
  3. „Verlorene“ Stimme
  4. Staatliche Parteienfinanzierung

1. Fünfprozenthürde

Gelegentlich kann es sinnvoll sein, statt der eigentlich favorisierten Partei eine andere Partei zu wählen, damit diese die Fünfprozenthürde überwinden kann. Hier können relativ wenige Zweitstimmen eine Hebelwirkung entfalten, mit der die Sitzverteilung im Bundestag gehörig durcheinandergewirbelt wird, da mit einem Schlag fünf Prozent der Zweitstimmen aktiviert werden.

Eine solche Stütz- bzw. Leihstimme kommt nicht nur in Frage bei potentiellen Koalitionspartnern, deren Parlamentseinzug dadurch gesichert werden soll, sondern auch zur Verhinderung anderweitiger Koalitionsmöglichkeiten. Wer eine große Koalition zwischen Union und SPD bevorzugt, könnte beispielsweise mit einer Zweitstimme für DIE LINKE oder die AfD mit dazu beitragen, dass diese in solcher Stärke in den Bundestag einzieht, so dass (möglicherweise) Rot-Grün und Schwarz-Gelb jeweils keine Mehrheit haben und nur eine große Koalition übrig bleibt (vorausgesetzt, man hält eine rot-rot-grüne Koalition und eine Koalition mit AfD-Beteiligung für ausgeschlossen.)

Ansonsten ist eine Stützstimmen-Taktik nur sinnvoll, wenn die betroffene Partei tatsächlich auf der Kippe, also irgendwo zwischen vier und sechs Prozent, zu erwarten ist. Wenn Sie vorher sicher gehen wollen, dass die jeweilige Partei tatsächlich auf Stützstimmen angewiesen ist, betreten Sie erst kurz vor Ende der Wahlzeit (18 Uhr) das Wahllokal und informieren Sie sich vor dem Ausfüllen des Stimmzettels über die 18-Uhr-Prognosen (z. B. mit Hilfe eines Smartphones). Dieses Vorgehen ist zwar eindeutig legal, zur Vermeidung von Diskussionen mit dem Wahlvorstand sollten Sie sich aber trotzdem nicht dabei erwischen lassen.

Wenn Sie erwägen, sich der Zweitstimme zu enthalten, ist zu bedenken, dass dadurch die Fünfprozenthürde herabgesetzt wird, da diese sich auf die Gesamtzahl der gültigen Stimmen bezieht.

2. Stimmensplitting

Eine beliebte Wahltaktik von Koalitionswählern ist das sog. „Stimmensplitting“, bei dem die Erststimme an den größeren Koalitionspartner und die Zweitstimme an den kleineren Koalitionspartner gegeben wird. Hierbei sollte man sich aber folgender Dinge bewusst sein:

Obwohl diese Wahltaktik vor allem bei Wählern verbreitet ist, die überdurchschnittliche Kenntnisse vom Bundestagswahlrecht besitzen, ist sie inzwischen unsinnig, da die Mehrheitsverhältnisse nicht mehr von Überhangmandaten abhängig sind.

3. „Verlorene“ Stimme

Wenn Sie Ihre Stimme einer Partei geben, die keine Chance hat, eine der Sperrhürden zu überwinden, sollten Sie sich bewusst sein, dass diese Stimme keine direkte Auswirkung auf die Sitzverteilung hat. Sie zählt lediglich bei der Berechnung der Fünf-Prozent-Klausel mit, sorgt also – im Vergleich zu einer ungültigen oder nicht abgegebenen Stimme – für eine Erhöhung dieser Hürde.

4. Staatliche Parteienfinanzierung

Unabhängig von der Sitzverteilung im Bundestag hat die Zweitstimme auch Einfluss auf die staatliche Parteienfinanzierung. Voraussetzung dafür ist, dass die von Ihnen gewählte Partei insgesamt mindestens 0,5 Prozent der Zweitstimmen erhält. In diesem Fall erhält die Partei jährlich für die ersten vier Millionen Zweitstimmen bis zu 85 Cent, für jede weitere Zweitstimme bis zu 70 Cent.

Die Gesamtsumme der staatlichen Parteienfinanzierung, die sich auch noch aus anderen Zuschüssen zusammensetzt, ist limitiert. Wenn diese Grenze wie in der Vergangenheit überschritten wird, werden die Zuschüsse an die jeweilige Partei entsprechend reduziert, so dass sich letztlich etwas geringere Beträge ergeben als soeben angegeben. In diesem Fall ist es nicht möglich, durch Wahlenthaltung oder Abgabe einer ungültigen Stimme die Gesamtsumme der staatlichen Parteienfinanzierung zu reduzieren.


von Martin Fehndrich, Wilko Zicht und Matthias Cantow (letzte Aktualisierung: 21.09.2013)