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15.03.2013

Negatives Stimmgewicht bei Landtagswahl in Kärnten 2013

Grüne hätten bei 1.000 Stimmen mehr einen Sitz weniger

Die österreichischen Landtagswahlsysteme mit einer zweistufigen Sitzzuteilung (Mandate im Wahlkreis [in Österreich: „Grundmandate“] > Restmandate auf Landesebene) ermöglichen negatives Stimmgewicht, wenn der „Preis“ (die notwendige Stimmenzahl) für ein Grundmandat höher sein kann, als für die Restmandate. Das Bundesland Kärnten sticht hier dadurch hervor, dass Grundmandate systembedingt deutlich „teurer“ als die Restmandate sind, so dass negatives Stimmgewicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten kann.

So auch zur Landtagswahl am 3. März 2013: Hätten hier die Grünen im Wahlkreis 2 (Kärnten Ost) 1.200 Stimmen oder im Wahlkreis 4 (Kärnten West) 800 Stimmen mehr erhalten, hätten sie insgesamt einen Sitz weniger (vier statt wie jetzt fünf). Andersherum hätte das Team Stronach (TS) einen Sitz mehr, wenn es seine drei Grundmandate (in den Wahlkreisen 2 bis 4) jeweils verfehlt hätte. 1.600 Stimmen weniger hätten dem Team Stronach so einen Sitz mehr gebracht.

Das Landtagswahlsystem in Kärnten

Das Landesgebiet teilt sich in vier Wahlkreise. Die 36 Sitze des Landtages werden den Wahlkreisen nach der Zahl der Bevölkerung zugeordnet. Zur Landtagswahl 2013 wurden Wahlkreis 1 (Klagenfurt) neun Sitze zugeordnet, Wahlkreis 2 (Kärnten Ost) zehn, Wahlkreis 3 (Villach) acht und Wahlkreis 4 (Kärnten West) neun.

Für die Berechnung der Wahlkreissitze einer Partei (Grundmandate) wird die Gesamtzahl der gültigen Stimmen im Wahlkreis durch die Zahl der zugeordneten Sitze verteilt. Der auf die nächste ganze Zahl aufgerundete Wert ist die Wahlzahl des Wahlkreises. Für jede volle Wahlzahl im Wahlkreis erhält eine Partei ein Grundmandat (erstes Ermittlungsverfahren).

Im Wahlkreis 2 (Kärnten Ost) wurden 90.908 gültige Stimmen abgegeben. Bei zehn dem Wahlkreis zugeordneten Sitzen ist die Wahlzahl 9.091. Die Grünen erhielten hier 8.099 Stimmen, also kein Grundmandat. Dieses hätten sie allerdings bei 1.200 weiteren Stimmen erhalten.

In einem zweiten Ermittlungsverfahren werden die noch nicht zugeteilten Sitze (Restmandate) und noch nicht verbrauchten Stimmen (Reststimmen) der Parteien – die mindestens ein Grundmandat oder fünf Prozent der gültigen Stimmen erhalten haben – zusammengefasst und nach d’Hondt auf die verbliebenen Parteien verteilt.

Der d’Hondt-Divisor für die Restmandate der Landtagswahl 2013 ist 6.915,3 Stimmen/Sitz. Für 20.746 Reststimmen erhalten die Grünen daher drei Restmandate. Zusammen mit den beiden Grundmandaten in den Wahlkreisen 1 (Klagenfurt) und 3 (Villach) erhalten die Grünen also fünf Sitze.

1.200 Stimmen weitere Stimmen im Wahlkreis 2 und die Grünen gewännen auch dort ein Grundmandat, die Zahl ihrer Reststimmen reduzierte sich auf 12.735. Dafür gäbe es aber nur noch ein Restmandat, zusammen mit den drei Grundmandaten insgesamt vier Sitze, also insgesamt ein Sitz weniger.

Lösung zur Beseitigung des negativen Stimmgewichts

Ursache des negativen Stimmgewichts ist in Kärnten der höhere Preis für die zuerst zugeteilten Grundmandate. Sich verstärkende Ursachen des niedrigeren Preises der Reststimmensitze in Kärnten sind:

  1. Der Faktor n/(n + 1) im d’Hondt-Divisor
  2. Stimmen von an der Sperrklausel gescheiterten Parteien fallen aus den Reststimmen heraus.
  3. Je nach Wahlkreiseinteilung und unterschiedlicher Wahlbeteiligung in den Wahlkreisen werden für ein Grundmandat in einigen Wahlkreise mehr, in anderen weniger Stimmen als im Landesdurchschnitt benötigt.

Dadurch ist es für eine Partei besser, ein Grundmandat knapp zu verfehlen. Eine mögliche Lösung wäre, dass der d’Hondt-Divisor als Preis der Restsitzverteilung effektiv nicht kleiner werden darf, als die Wahlzahlen in den Wahlkreisen. Dies könnte man durch eine Berechnung auf Basis aller 36 Sitze und aller Stimmen an die Parteien erreichen. Für die Landtagswahl 2013 etwa wäre ein d’Hondt-Divisor dann 8.000 Stimmen/Sitz. Die SPÖ erhielte einen Sitz mehr, die Grünen einen Sitz weniger (zum Vergleich beider Berechnungen siehe die Excel-Tabelle).

BZÖ fehlt eine Stimme an weiterem Sitz – Wahlprüfung

Dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) fehlen nach dem amtlichen Ergebnis eine Stimme und Losglück, um ein weiteres Restmandat zu erhalten (von den Grünen). Daher hat das BZÖ bereits die Anfechtung des Wahlergebnisses und den Gang zum Verfassungsgerichtshof angekündigt. Die Sitzverteilung könnte sich also – je nach Entscheidung des Gerichts – noch ändern. Auch in dem Fall gäbe es negatives Stimmgewicht: Mit 250 Stimmen weniger in Villach hätten die Grünen ihr fünftes Mandat sicher.


von Martin Fehndrich (15.03.2013, letzte Aktualisierung: 18.03.2013, letzte Aktualisierung der Links: 15.03.2013)